Für 2.500 manipulierte Polizeiautos mit dem Betrugsmotor EA 189 soll der Konzern etwa zwei Millionen Euro gezahlt haben, hieß es vor einem Jahr. Im Durschnitt wären es also 800 Euro pro Fahrzeug gewesen. In Wahrheit fiel der Vergleich zugunsten der Republik noch viel mickriger aus, wie sich viel später herausstellte. Knapp 1,5 Millionen Euro hat der Staat kassiert, also lediglich 600 Euro pro Fahrzeug. Der Staat kassierte diese mickrige Prämien für seine Polizei und Ministeriumsautos und ließ alle anderen VW Dieselgeschädigten im Regen stehen, wie Dr. Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein (VSV) damals zu Recht kritisierte.
Wie kam dieser mickrige Vergleich zustande? In einem Sachverständigengutachten, das mir in Kopie vorliegt, hatte der Gutachter befunden: „Der von der VW AG angebotene Vergleichsbetrag in Höhe von zirka € 1.500.000,– kann somit jedenfalls als plausibel angesehen werden. Mit diesem Betrag sind sicher alle bewertbaren Schäden an den von der Republik genutzten Fahrzeugen, die mit dem Motor EA 189 (Euro 5) ausgerüstet waren, abdeckbar“. Der Gutachter selbst errechnete für die 2.521 manipulierten Fahrzeuge einen Gesamtschaden zwischen 1.143.929,87 und 1.444.386,87 Euro aus, die durch das VW Angebot knapp überboten wurden. Im Detail rechnete der Gutachter für die 2.242 geleasten Fahrzeuge einen Schadenersatz zwischen 3,5 bis 4,5 % aus. Als Hauptgrund führte er eine „merkantile Wertminderung“ (in Höhe von 1,5%) an, gefolgt von „möglichen Nutzungsausfällen der Fahrzeuge durch Gewährleistungsarbeiten“ (1,0 %) und „Image Probleme hinsichtlich der Nutzung derartiger Fahrzeuge“ (0,5 bis 1 %).
Für die 289 gekauften Fahrzeuge (246+43) errechneter der Gutachter einen Schadenersatz zwischen 6 bis 7 %. Als Hauptgrund nannte der „Preisreduktionen für die Fahrzeuge beim Verkauf“ (4%), „Nutzungsausfälle der Fahrzeuge durch Gewährleistungsarbeiten (1%), „Image Probleme hinsichtlich der Nutzung“ (0,5 bis 1%) sowie – hört,hört – „Potenziell negative Pressemeldungen“ (0,5 bis 1 %)
Während sich die Republik mit dem mickrigen Vergleich zufriedengab und auf die knapp 400.000 VW Geschädigten in Österreich pfiff, zeigt ein Blick auf Deutschland und den USA, wie billig der VW Konzern in Österreich mit seinem Vergleich davongekommen war.
Deutschland: Im Rahmen der Musterfeststellungsklage bot VW Anfang 2020 seinen klagenden Kunden Vergleichszahlungen zwischen 1.350 bis 6.270 Euro an! Mit anderen Worten: jede deutsche Kunde (der VW geklagt hatte!) bekam von Haus aus gleich doppelt soviel angeboten wie die Republik Österreich. Am Ende haben 235.000 deutsche VW Geschädigte das Vergleichsangebot angenommen. Da VW dafür in Summe 730 Millionen Euro ausgegeben hat, ergibt das 3.100 Euro im Schnitt. Allerdings bot VW solche Vergleichszahlungen nur deutschen Kunden an, die bei dieser Massenklage mitmachten. Dieselkäufer aus Österreich und Südtirol, die sich mit Hilfe des Verbraucherschutzvereins (VSV) ebenfalls dieser Massenklage angeschlossen hatten, ließ der Konzern eiskalt auflaufen – kein Vergleichsangebot für Ausländer!
USA: Mitte 2020 wurde das endgültige Ergebnis der Vergleichszahlungen an amerikanische Kunden bekannt. Umgerechnet 8 Milliarden Euro (9,5 Milliarden Dollar) mussten die Wolfsburger Konzernherren direkt an ihre betrogenen US-Kunden zahlen. Bei 555.000 betroffenen Autos sind das 14.414 Euro pro Kunde, wobei die Autos in den USA nicht upgedatet, sondern vom Konzern zurückgekauft werden musste.
In Deutschland hat sich gezeigt, dass jene Kunden, die sich nicht der Massenklage angeschlossen hatten, sondern individuell vor Gericht gezogen sind, besser abgeschnitten haben. Der VW Konzern hatte ja nach dem Urteil des Höchstgerichts (BGH) im Mai angekündigt, alle anhängigen Verfahren vor deutschen Gerichten rasch mit Vergleichsangeboten zu beenden. Da der BGH hatte klipp und klar entschieden, dass den Käufern Schadenersatz zusteht, weil VW seine Kunden „arglistig und vorsätzlich geschädigt“ hat. Angesichts dieser Schlappe vor den deutschen Höchstrichtern änderte der Konzern in Deutschland seine Taktik und fing an, sich reihenweise mit klagenden Kunden zu vergleichen. Davon profitieren auch jene 500 Österreicherinnen und Österreicher, die bei der Massenklage ursprünglich leer ausgegangen waren und die mit Hilfe des Verbraucherschutzvereins (VSV) und eines Prozessfinanzierers VW individuell in Deutschland geklagt haben. Die ersten hatten bereits vor Weihnachten Geld auf das Konto.
Wie hoch diese vor Gericht individuell erstrittenen Zahlungen ausgefallen sind, kann man nur schätzen. Denn mit dem Vergleich wird stets eine strikte Geheimhaltungsklausel unterschrieben, sodass die Beteiligten nichts über das Ergebnis sagen dürfen. Dr. Peter Kolba schätzt – auch aufgrund der Erfahrungen von Rechtsvertretern in Deutschland – dass 15 bis 20% des Kaufpreises als Basis für die Schadenssumme keine Seltenheit sind. Freilich wird von dieser Summe noch ein Nutzungsgeld für die inzwischen gefahrenen Kilometer abgezogen (die darf sich VW behalten), sodass bei viel Kilometern am Tacho die Vergleichszahlung erheblich schmelzen und im Extremfall komplett aufgefressen werden kann.
Zum Vergleich: In Österreich hat VW bei seinen Sammelklagen für 10.000 Geschädigte 20% Schadenersatz von VW verlangt. Mal sehen, wie ein Vergleich hierzulande ausschaut, mit dem im Laufe des Jahres zu rechnen ist.