Erstmals hat also im VW Abgasskandal in Deutschland in der Hauptsache ein Oberlandesgericht zugunsten von VW-Opfern entschieden und nicht nur ein Landgericht. Dieser Fall nun im Detail laut Auskunft der Kanzlei:Es handelt sich zwar „nur“ um eine Kostenentscheidung, jedoch bezieht das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 23. März 2017, Az. 3 U 4316/16) klar Stellung zum VW Abgasskandal. Es hat den dortigen Händler zur Kostentragung verpflichtet, weil das OLG München nach einer Prüfung davon ausgeht, dass der Geschädigte das Berufungsverfahren gewonnen hätte.
Dieser Entscheidung vorausgegangen war ein Urteil des Landgerichts Traunstein vom 10.10.16, 3 O 709/16. Das Landgericht Traunstein hatte eine Rücktrittsklage gegen einen Händler abgewiesen und insbesondere mitgeteilt, dass dahinstehen könne, ob ein Mangel an dem Fahrzeug vorliegt. In jedem Fall sei ein Rücktritt nicht gerechtfertigt. Gegen dieses Urteil hatte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht München eingelegt, heißt es in einer Mitteilung der Rechtsanwaltskanzlei
Der Verhandlungstermin war auf den 22.03.2017 bestimmt. Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 8.3.2017 angekündigt, das Fahrzeug zurückzunehmen und die Finanzierung bei der Bank abzulösen. Die bisher vom Kläger bezahlten Finanzierungsraten würden inklusive Zinsen erstattet, von dem sich daraus errechnenden Betrag würden 2.000 € abgezogen. Unstreitig wies das Fahrzeug bereits am 06.09.2016 einen Kilometerstand von 80.162 km auf.
Nachdem der Händler mehr gezahlt hatte, als der Kläger mit seiner Klage verlangt hatte (der Kläger wollte 6,3 Cent je Kilometer Nutzung bezahlen), war einer Entscheidung durch das Oberlandesgericht München in der Hauptsache durch Urteil der Boden entzogen. Es musste nur noch über die Kosten entschieden werden. Genau dies tat das Oberlandesgericht in seinem Beschluss.
Das Oberlandesgericht München teilte wörtlich mit:
„Unabhängig davon entspricht hier es hier der Billigkeit im Sinne von § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf zu erlegen, da nach derzeitiger Aktenlage auch nicht damit zu rechnen gewesen wäre, dass das landgerichtliche klageabweisende Urteil bestätigt worden wäre. Zum einen hat der Senat keinen Zweifel daran, dass ein „Blue-Motion“-Golf, der mit einer Software ausgestattet ist, die ausschließlich auf dem Rollenprüfstand einen anderen – niedrigeren – Schadstoffausstoß generiert als er im Echtbetrieb zu erwarten wäre, mangelhaft im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB ist.“
Nach Interpretation des Rechtsanwalts hat das Oberlandesgericht damit unmissverständlich mitgeteilt, dass es die Klageabweisung durch das Landgericht Traunstein nicht akzeptiert und den Händler verurteilt hätte. Das Oberlandesgericht teilt außerdem mit, dass der Händler sich im Rahmen der Nachbesserung das Verhalten des VW Konzerns zurechnen lassen müsse.
Dies hat nach Ansicht der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die ca. 35.000 Geschädigte berät und vertritt, weitreichende Folgen. Nach dem BGH, Urteil vom 9. Januar 2008, VIII ZR 210/06 muss sich ein Käufer eines Fahrzeugs nicht auf eine Nachbesserung einlassen, die von demjenigen angeboten wird, der arglistig getäuscht hat. In einem solchen Fall kann ein Käufer nicht auf eine Nachbesserung verwiesen werden. Nach Ansicht der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH muss sich daher kein Käufer eines Fahrzeugs auf die von VW angebotene Nachbesserung verweisen lassen, sondern kann direkt vom Kaufvertrag zurücktreten. Bei einer Zurechnung verlängert sich die Verjährungsfrist außerdem bis Ende 2018.
Bleibt nur noch zu hoffen, dass die Rechtsanwälte und Gerichte in Österreich dieses Obergerichts-Urteil gründlich studieren und auf österreichische Verhältnisse transferieren.