Die Bilanz fällt aber noch mickriger aus, wenn man weiß, dass nur die Hälfte der Kunden dem Rückruf des Konzerns mit den Automarken VW, Seat, Audi und Skoda gefolgt sind: nur 82.000 der 156.000 zurückgerufenen Fahrzeuge sind tatsächlich zum Update in die Werkstätte gefahren worden. Mit anderen Worten: nur vier von fünf manipulierten Autos hatten in Österreich das Update Anfang Dezember hinter sich.
Warum der Rückrufplan für Europa gescheitert ist? Von VW gibt es dazu keine Auskunft. Der Konzern hält es nicht für notwendig, seine Kunden darüber zu informieren. Inoffiziell ist zu erfahren, dass jene Fahrzeughalter in Österreich, deren Autos manipuliert sind, am Jahresende bzw. zu Anfang des neuen Jahres Post von der Porsche Holding bekommen werden. Bin schon gespannt, wie VW die Nicht-Einhaltung der von sich aus angekündigten Frist begründen wird.
Bis dahin kann man nur Vermutungen darüber anstellen, warum a) so wenig Fahrzeuge zurückgerufen wurden und warum b) so wenig Kunden diesem Ruf gefolgt sind.
Zu A: VW hat mit großer Wahrscheinlichkeit den Aufwand für das Update völlig unterschätzt. Im September 2016 hat der dafür zuständige Manager der VW-Gruppe in der Betriebszeitung ein paar interessante Details veröffentlicht: weil es so viel verschiedene Modelle gibt, mussten insgesamt 80.000 unterschiedliche Softwareprogramme erstellt werden. 450 Ingenieure sind damit befasst. Die vorgeschlagenen Software-Updates mussten aber jedes Mal vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ausdrücklich genehmigt, d.h freigegeben werden. So hat sich zum Beispiel die Freigabe des Passat -eines der meist verkauften Modelle – um ein halbes Jahr verzögert, weil die Techniker des KBA die vom VW-Konzern vorgeschlagene Lösung nicht abgenickt haben.
Der Tiguan wurde zwar vom KBA am ersten Juni freigegeben und ich bekam im Juni schon prompt den Rückrufbrief zugestellt. Trotzdem hatten andere Tiguan-Fahrer in Österreich im Spätsommer noch immer keinen Rückruf-Brief erhalten. Offensichtlich war das Update ihres Modells noch nicht fertiggestellt bzw. noch nicht vom KBA genehmigt worden.
Zu B: Warum zurückgerufene VW-Fahrzeughalter nicht sofort in die Werkstätte fahren, sobald sie den Rückruf-Brief erhalten haben, hat viele Gründe.Einerseits lässt man nicht alles liegen uns stehen, nur um in die Werkstätte zu fahren, sondern wartet, bis man ohnehin zum Service oder Reifen-Umstecken kommen muss. Andereseits gibt es aufgrund der laufenden Schadneersatzklagen (70 bis 100 allein in Österreich) , der strafrechtlichen Anzeigen (inklusive zirka 4.000 Privatbeteiligten-Anschlüsse) eine gewisse Verunsicherung, ebenso über den Ausgang des angestrebten Generalvergleichs über die holländische Stiftung, dem sich zirka 26.000 Österreicher via Verein für Konsumenteninformation (VKI) angeschlossen haben.
Mit ein Grund ist m.E. auch die Verweigerung des VW-Konzerns, mit einer hieb- und stichfesten Garantiezusage jede Verschlechterung bei Motorleistung, CO2 Emissionen, Spritverbrauch und Motorengeräusch durch das Update zu gewährleisten. Ob die neuerdings ausgestellte Bescheinigung eine echte Garantie ist oder nur eine rechtlich belanglose Augenauswischerei bin ich gerade am Prüfen. Wäre sie als Garantie zu werten, käme der Rückruf sicher in Schwung.
Ein weiterer Grund, warum Fahrzeughalter ihre Autos nicht in die Werkstätte bringen ist die Angst, bei getunten Fahrzeugen, das Tuning zu verlieren bzw. auf den Kosten des Tunings sitzen zu bleiben. Erst vergangene Woche waren dazu klare Informationen von VW zu bekommen: legal durchgeführtes Tuning wird beim Update auf Kosten des VW-Konzerns wieder neue aufgespielt, nicht jedoch illegal durchgeführtes Tuning.
Ich kann gut nachvollziehen, dass ein in Bedrängnis geratener Konzern zunächst einmal einen präzisen Plan zur Reparatur ankündigt. Man will trotz Krise Handlungsfähigkeit beweisen. Es kann auch passieren, dass salopp angekündigte Pläne dann doch nicht durchführbar sind, etwa weil technische oder rechtliche Probleme auftauchen oder gravierender sind als ursprünglich angenommen. Was ich aber überhaupt nicht verstehen kann und nie verstehen werde ist, dass man den Kunden selbst dann keinen reinen Wein einschenkt, wenn längst klar ist, dass man das Geplante nicht umsetzten kann.
Offenbar bleibt sich VW in seiner Arroganz den Kunden gegenüber treu: Leugnen, solange es geht und Fakten erst zugeben, wenn sie nicht mehr länger zu leugnen sind.
Echte Vertrauensbildung gegenüber den Kunden schaut anders aus.