VW-Pötsch: Tun alles, um Flottenziel zu erreichen

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Autokonzerne, die Ende 2020 in Europa über dem CO2-Flottenziel von 95 Gramm liegen, müssen für jedes überschüssige Gramm mit Milliarden Strafzahlungen rechnen. Berechnet wird das Flottenziel im Prinzip so (es gibt Ausnahmen): Man zählt den CO2 Ausstoß aller Modelle zusammen, die ein Konzern in einem Jahr in Europa verkauft und dividiert diese Summe durch die Zahl der Modelle. Derzeit kommt VW auf ein CO2 Flottenziel von 118 Gramm, muss also noch ordentlich CO2 senken. Da E-Autos Null CO2 Emissionen haben, kann man ihrer Hilfe den Flottendurchschnitt massiv drücken.

Da Benziner „20 bis 30 Prozent mehr CO2 ausstoßen als Dieselautos“ (Zitat Pötsch) kann der aktuelle Trend Weg vom Diesel und hin zu Benziners einen gewaltigen Strich durch die Rechnung der Autokonzerne machen. Allerdings, so Pötsch, gehe es mit dem Diesel in einigen Ländern wie Italien, Spanien oder Frankreich wieder aufwärts. Nur in Ländern wie Deutschland und Österreich, wo „publizistisch“ dagegen geschrieben werde, gerate Diesel unter Druck.

Was Pötsch nicht sagte und ich hinzufüge: bei der Berechnung des Flottenzieles darf die Autoindustrie zwar noch auf die alten CO2 Werte( auf Basis des abgeschafften alten Messzyklus NEFZ) zurück rechnen und muss nicht die neuen und viel höheren CO2 Werte (auf Basis des neuen Messzyklus WLTP) heranziehen. Weil diese Rückrechnung aber trotzdem höhere CO2 Werte ergibt, ist ein ungeplanter Anstieg der CO2 Werte evident.

Brüssel warnte Pötsch vor zu hohen CO2 Senkungszielen für das Jahr 2030. Es sei problematisch, auf das Senkungsziel von  30%  (gegenüber 2020) noch etwas draufzusetzen. „Das wäre dann mit normaler Elektrizität nicht mehr zu schaffen“, meinte er mit zartem Wink auf Atomkraft.  Man solle sich in Europa lieber realistische Ziele setzten, die man auch einhalten könne. ( Das Europa-Parlament entschied sich diese Woche für ein Reduktionsziel von 40 % gegenüber den 95 Gramm des Jahres 2020, muss aber noch mit Rat und Kommission verhandeln) Rückblickend räumte Pötsch zwar ein, dass die Autos im Jahr 2001 nicht wesentlich anders waren als heute und VW mit Innovationen wie dem Lupo oder dem Ein Liter Auto „im Ansatz stecken geblieben“ sei. Der Grund laut Pötsch: „Die Zeit war nicht reif dafür, die Kunden wollten nicht mitgehen.“

Die gesellschaftspolitische Sprengkraft des „Abgasthema“ habe der Konzern ebenso unterschätzt  die Politik, räumte der VW-Aufsichtsratschef in seinem Anflug von Selbstkritik ein. Auf die gerade mit der deutschen Regierung in Aushandlung befindliche Lösung für manipulierte Dieselautos ging Pötsch mit keinem Wort ein, nur, dass verhandelt werde.

Auf die Frage aus dem Publikum, warum der legendäre Firmenspross Ferdinand Piech das Vertrauen in Winterkorn seinerzeit verloren hätte, appellierte Pötsch auf Verständnis, dass er diese Frage nicht beantworten könne. Nur soviel: „Das hat mit dem Dieselthema gar nix zu tun.“ Im übrigen stehe fest, dass der Konzern der „Ikone“ Piech unendlich viel zu verdanken habe, egal was am Ende herauskomme.

Aus der Rede des VW-Aufsichtsratschefs  vor Hunderten Zuhörern war klar zu erkennen: der Konzern will mit seiner Vergangenheit am liebsten nichts mehr zu tun haben.  All seine Ressourcen will er in die mobile Zukunft investieren: in digitale Dienste, autonomes Fahren inklusive Drohnen, in Car-Sharing und in E-Mobilität. Der „epochale Wandel“, dem sich die Autobranche stellen müsse, sei nur in engstem Schulterschluss mit der Politik zu bewerkstelligen, meinte Pötsch. Beispiel: Ohne Änderung des Wiener Abkommens, das die alleinige Verantwortung den Fahrern zuschiebt, sei autonomes Fahren nicht möglich.

In E-Autos sieht Pötsch eine Brückentechnologie für die nächsten 17 Jahre. Den wundesten Punkt ortet er bei Schnell-Ladestationen entlang der Autobahnen. Ziel müsse es sein, dort die Autos innerhalb einer Kaffeepause zu laden.  Der Strom-Porsche, der Ende 2019 herauskommt, soll nur mehr 15 Minuten zum Aufladen brauchen, was einer Kaffeepause schon nahe kommt. Ohne Strom aus alternativen Quellen seien E-Autos  keine CO2 schonende Alternative zu Verbrennungsmotoren. Dieses Problem hält Pötsch aber für ebenso lösbar wie die Beschaffung von Kobalt, die derzeit das größere Beschaffungsproblem darstelle als Lithium. Leicht sind die künftigen E-Pkw jedenfalls nicht: allein die Batterie bringt es auf  800 bis 900 Kilo Gewicht.

Klitzekleines Detail am Rande: Anders als in einigen österreichischen Medien beschrieben, spricht Pötsch die Abkürzung für VW Elektroautos – ID – in Englisch aus („eidi“) und nicht auf gut Deutsch („Idee“).