VW: Nix mit „Deutschland first“?

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Woher der Optimismus? Allein der große Zeitdruck, mit dem VW bei seinem Vergleichsangebot agiert zeigt, dass VW sich vor dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) fürchtet, das am 5. Mai über zwei ganz entscheidende Fragen urteilen wird. Erstens, ob VW wegen der Betrugsdiesel EA 189 Schadenersatz leisten muss und zweitens, ob VW davon ein Nutzungsentgelt für die gefahrenen Kilometer abzwacken darf, sodass den Kunden wenig vom Schadenersatz übrig bleibt. Die von VW erkorenen 260.000 deutschen Musterfeststellungs-Kläger müssen sich aber schon vorher entscheiden – von 20. März bis spätestens 20. April –  ob sie das Vergleichsangebot von VW annehmen oder nicht.

VW rechnet offensichtlich damit, dass dieses Höchstgericht, dessen Urteil für die nachgeordneten Gerichte ja bindend ist, verbraucherfreundlich ausfallen wird und legt alles daran, möglichst viel der 260.000 Auserwählten zum Vergleich zu bringen. Denn VW wird jeden einzelnen, jede einzelne von ihnen anschreiben und mit einem PIN Code ausstatten. Damit können sie sich einloggen und nach Eingabe der Fahrzeugnummer genau wissen, wieviel Geld VW ihnen als Vergleich anbietet. VW stellt ihnen auch noch 190 Euro netto für Anwaltskosten in Aussicht, wenn sie das Angebot annehmen (Wenn sie es nach Beratung mit Anwälten ablehnen, zahlt VW nichts). Zwölf Wochen nach Annahme das Vergleichs, sollte das Geld am Konto sein – verspricht VW. Im Gegensatz müssen die Vergleichsnehmer auf alle rechtlichen Schritte gegen VW verzichten.

Wieviel Geld wird geboten? Dafür gib es zwei Hinweise, die allesamt auf eine durchschnittliche Zahlung von 3.000 Euro hinauslaufen. Erstens: 14,9% des Neuwagenpreises sollen es laut vzbv, dem Betreiber der Musterfeststellungsklage, sein. Aus dem angegebenen Neuwagenpreis von 21.000 Euro  ergibt sich eine Vergleichszahlung von  3.129 Euro im Schnitt. Zweitens: Auf 3.000 Euro im Schnitt kommt man, wenn man von der in Aussicht gestellten Gesamtvergleichssumme von 830 Millionen Euro die Kosten für Rechtsanwälte abzieht (49 Mio Euro bei 190 Euro und 260.000 Fälle) und durch die 260.000 Vergleichsfälle dividiert.

3.000 Euro? Das sind zwar weit mehr als die jämmerlichen 1.000 Euro, die sich die österreichische Finanzprokuratur als Vergleich für die Polizei-Autos herausverhandelt hat. Es sind aber weniger, als man in Deutschland mit individuellen Klagen erstreiten kann. Das gibt sogar der vzbv zu, spricht aber von einem maximal erreichbaren Ergebnis.

Die mit den indivduellen Klagen in Deutschland betrauten Anwälte sprechen unter der Hand von Vergleichszahlungen von 4.000 bis 8.000  Euro pro Auto. Damit ist klar, dass auf dem Gerichtsweg mehr Geld zu erstreiten ist.

Allerdings hängt diese Frage ganz entscheidend damit zusammen, inwiefern VW Nutzungsentgelt für die gefahrenen Kilometer abziehen darf.

Für Musterkläger aus Österreich und Südtirol ist die Sache ganz einfach: da ihnen VW ohnehin keine Vergleichszahlungen angeboten, müssen sie individuell klagen, um überhaupt etwas zu bekommen. Der Verbraucherschutzverein (VSV) hilft ihnen mit Hilfe eines Prozessfinanzierers, das zu tun. Der große Vorteil: sie können in Ruhe das Urteil des Höchstgerichts abwarten, um die Erfolgsaussichten vor deutschen Gerichten besser abschätzen zu können. Gut möglich, dass sie besser oder gleich gut aussteigen als die privilegierten deutschen VW Kunden, selbst wenn ihnen der Prozessfinanzierer 35% als Erfolgshonorar abzieht.