Wer kennt solche Fälle nicht aus seiner direkten Umgebung? Zum Beispiel aus der Welt der Medien, die sich in einem beispiellosen Umbruch befindet. Da bewerben sich hoffnungsvolle junge Leute mit einer hervorragenden Ausbildung – mit gleich mehreren Studien und/oder Auslands-Praktika als Referenz. Mit viel Glück fällt ein weiteres Praktika für sie ab. Oder sie bekommen eine geringfügige Beschäftigung für 406 Euro im Monat. Zuwenig zum Leben, zum Sterben zuviel.
Was passiert? Die einen studieren einfach weiter. Besser Student sein als arbeitslos. Wer zahlende Eltern oder andere Ressourcen im Rücken hat, wird sich das Wartezimmer Uni immerhin leisten können. Viele andere flüchten in Tagträume, Resignation, Rebellion oder Gewalt. Oder sie steigen sonstwie aus.
Das Problem geht tief in die Bevölkerung hinein, erfasst zunehmend auch den Mittelstand, tüchtige Menschen zwischen 40 und 50. Arbeitslos gewordene Führungskräfte, mit viel Wissen und Erfahrung, können sich glücklich schätzen, doch noch einen Job zu ergattern – für vielleicht 1.700 Euro netto im Monat.
Arbeitslose ältere Semester – zu alt für den Arbeitsmarkt, zu jung für die Pension – flüchten ebenso in die Selbstständigkeit, wie die jungen oder „mittelalterlichen“. Besser selbstständig als arbeitslos. Nicht allen ist bewusst, dass ihnen von 100 einkassieren Euro nur 47 übrig bleiben – nach Abzug von Sozialversicherung und Steuer. Das böse Erwachen kommt noch einigen Jahren, wenn die Sozialversicherung in voller Härte zuschlägt.
Da Firmen mit ihrem Cost-Cutting nicht nur Löhne, sondern auch Honorare drücken, bedeutet dies für Selbstständige, Hunger-Honorare in Kauf zu nehmen und trotzdem beste Qualität zu liefern. Wer Pech hat, muss seinem Geld noch monatelang nachlaufen, weil – wie gesagt- auch die Unternehmen knausern.
Die Spirale geht nach untern. Die Verarmung ganzer Bevölkerungsgruppen greift um sich, auch die der Pensionisten und – vor allem – der Pensionistinnen, die in eine veritable Altersarmut schlittern.
Qualität ist gefragt, ebenso beste Ausbildung. Da haben Sie im Prinzip zwar Recht, sehr geschätzter Dr. Aiginger. Doch diese Qualität wird – immer öfter! – nicht mehr bezahlt.
Daher mein Appell an Wirtschaftsforscher und Politik: Hört endlich auf, Vogel Strauss zu spielen. Schaut der Realität ins Auge und versucht, praktische Auswege und Perspektiven zu finden. Indem man zum Beispiel handwerkliche Fähigkeiten und Leistungen, die nicht globalisiert werden können, attraktiver macht, den Ausschreibungs-Wahn für kleinste Aufträge ebenso abschafft wie das Billigstbieterprinzip. Oder indem man den Behördendschungel lichtet, die horrende Abgabenbelastungen senkt und transparenter macht. Viel Sinn würde es machen, die Qualität des Regionalen ernsthaft zu fördern.