Zwei fundamentale Fehlentwicklungen werden sichtbar: Erstens wird ein Problem nur größer, wenn man es zuerst beharrlich ignoriert und nur mit halbherzigen Maßnahmen zu lösen versucht. Nun werden die Kriegsfolgen in Syrien auch bei uns Realität und die vermeintlich eingesparten Kosten erhöhen sich um das Vielfache. Flüchtlinge vor Ort zu vorsorgen ist definitiv günstiger als hierzulande.
Zweitens rächt es sich über kurz oder lang, wenn ein Staat oder eine Gemeinschaft von Staaten zwar eine Menge Zeit dafür verwendet, sich Regeln zu verpassen, die dann aber nicht eingehalten werden. Noch schlimmer ist, dass das Nicht-Einhalten der selbstgemachten Vorschriften nicht sanktioniert wird, sodass die Wenigen, die sich daran halten, auch noch als Verlierer dastehen. Begonnen hat das schon mit den nicht eingehaltenen Maastricht-Kriterien und in der Flüchtlingsfrage passiert das mit dem Dublin-Verfahren, das von Anfang alle Last den Grenzstaaten aufhalste und in Zeiten großer Flüchtlingsströme einfach nicht funktionieren kann.
Natürlich kann es vorkommen, dass sie eine beschlossene Vorschrift unter neuen Umständen obsolet wird. Dann muss man die alte Regel halt ändern und nicht den Ungehorsam stillschweigend dulden. Wer sich selbst nicht ernst nimmt, erntet Chaos! Kein Land in der EU soll sich aussuchen dürfen, welche EU-Regeln es einhält und welche nicht!
Europa hat jetzt noch eine zweite Chance, Versäumtes zu reparieren und das große Friedensprojekt. Sachlich gesehen, ist diese Herausforderung durchaus machbar, wenn die EU-Mitgliedsstaaten sich endlich auf den Sinn einer Gemeinschaft bestinnen und kapieren, dass der massive Zustrom von Flüchtlingen kein Staat allein bewältigen kann.
Wenn es der EU nicht gelingt, hier sehr rasch an einem Strang zu ziehen, ist das nicht die zweite, sondern die letzte Chance gewesen, Europa als Friedensprojekt zu retten.