Kreutner-Kommission: „Daschlogts es“, Druck in Dienstbesprechungen (Teil 3)

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Die Art und Weise, wie der mächtige Sektionschef und der Leiter der obersten Staatsanwalt Wien zusammenspielten, um die Arbeit der Wirtschafts- und Korrupionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu erschweren und andere wichtige Strafverfahren zu steuern, zeigt laut Bericht der Kommission ein erschreckendes Sittenbild.

Fallführende Staatsanwälte wurden mit Berichten und Aufsichtsbeschwerden „bombardiert“, sodass ihnen weniger Zeit für ihre eigentliche Ermittlungsarbeit blieb. Wie harsch der Supersektionschef in Dienstbesprechungen mit fallführenden Staatsanwälten umgesprungen sein soll und wie sich anwesende Führungskräfte weggeduckt haben sollen, wird von Auskunftspersonen geschildert. Das berühmte „daschlogts es“, das Pilnacek in Sachen Eurofighter empfohlen hat, ist dafür bezeichnend, aber bei weitem nicht alles.

Da wurden Untergebene in Dienstbesprechungen angebrüllt und zubetoniert. Dienstbesprechungen wurden so schleissig dokumentiert, dass man nachher nicht mehr wissen konnte, wer was gesagt bzw. angeordnet hat. Um klare und transparente Weisungen hat man seit 2014 einen weiten Bogen gemacht, um Verantwortlichkeiten zu vernebeln. So eine Intransparenz fördert Korruption und Mißbrauch. Aber nun im Detail.

4. Staatsanwälte mit Berichten und Aufsichtsbeschwerden bombardiert:
181 Berichte allein bei Ibiza

Gestützt auf Dokumente und ausführliche Befragungen von Auskunfspersonen kam die Kommission zum Befund, dass Sektionschef Pilnacek „ein besonderes Interesse an Strafsachen Einzelner (hatte), die der Leitung seines Ressors oder ihm persönlich nahestanden (Seite 85). In wichtigen Fällen liess er sich jeden Schritt der Aktien via Abteilungsleiter vorlegen. Er hat sich an den Akten „festgekrallt“ (Seite 84). Der Sektionschef nutzte seine Machtposition, um „maschinengewehrartig“ (Seite 74) bei Einzelfällen nachzufragen. Dadurch wurden Ressourcen blockiert, die für die eigentliche Ermittlungsarbeit fehlten. Zum Beispiel gab es in Sachen Ibiza bis 4.2.2021 insgesamt 181 Berichte. (Seite 85).

Plinacek liess sich nicht nur genau und ständig informieren, sondern mischte immer wieder aktiv mit und brachte Beschwerden ein. Die Kommisson gewann den Eindruck , „dass bei wirtschafltich oder politisch brisanten Fällen die fallführenden Organe mit Aufsichtsbeschwerden bombardiert werden“ (Seite 102).

5. Verantwortungsnebel, Drohkulisse bei Dienstbesprechungen,
Anbrüllen und Zubetonieren

Breiten Raum widmet die Kreuter-Kommission auch dem Umstand, dass es seit 2016 eine große Scheu gab, Einzelstrafverfahren durch klare Weisungen zu steuern. Solche Weisungen durch vorgesetzte Instanzen sind in der Justiz durchaus vorgesehen und auch erwünscht, damit die unteren Instanzen und alle Beteiligten Klarheit haben. Nur sollten solche Weisungen rechtlich nachvollziehbar argumentiert und auch dokumentiert werden, damit man später weiß, wer was wann vorgegeben hatte.

„Für die Kommission erhärtete sich eindrücklich, dass schon die obersten Leitungsorgane des Bundesministeriums für Justiz und die Leitung der Oberstaatsanwaltschaft Wien im Untersuchungszeitraum ab Ende 2014 einen weiten Bogen um (transparente) Weisungen zur Sachbehandlung nach §29 StAG gemacht haben“ (Seite 92) .Um zu vernebeln, wer wann welche Vorgangsweise gewünscht und durchgesetzt hat, wurden klare also transparente Weisungen vermieden. Und Intransparenz fördert Korruption, denn für die Öffentlichkeit nicht einsehbare Prozesse sind Anreize für deren Mißbrauch, schreibt die Kommission auf Seite 138.

Den Druck auf Staatswanwälte baute man anders auf. Man berief fallführende Staatsanwälte zu Dienstbesprechungen ins Justizministerium, um den Status der Ermittlungen und die weiteren Schritte zu erörtern. In diesen Dienstbesprechungen setzte man auf die „Kraft der Autorität“ (Seite 92). Um die fallführenden Staatsanwälte „auf Schiene zu bekommen“, wurde in solche Besprechungen mitunter zusätzlich zur Fachaufsicht auch noch Vertreter der Dienstaufsicht dazugeholt und somit eine „Drohkulisse“ aufgebaut, denn die Dienstaufsicht spielt eine wichtige Rolle bei Karrieren. Als Beispiel nennt die Kommission das Meinl-Verfahrens (Seite 92). Dort war – laut einer Tonbandaufzeichnung, die der Kreutner Kommission vorlag – die Tonalität so harsch und agressiv, dass die Leitung der fallführenden Staatsanwaltschaft letztlich von ihren Sachbearbeitern abrückte (93). Angesichts dieser agressiven Vorgangsweise äußert die Kommission dafür sogar Verständnis für das Abrücken der Leitung der fallführenden Staatsanwaltschaft. Bezeichnenderweise wurde diese Besprechung intern als „Nordkorea-Besprechung“ tituliert.

Laut Auskunftspersonen, die die Kommission befragte, lief man bei solchen Dienstbesprechungen als Untergebene bereits im Vorfeld „Gefahr“ , vom Supersektionschef (dem ja die Fachaufsicht unterstellt war), „direkt angebrüllt“ und „betoniert“ zu werden. „Der Höchste diskutiert dann mit dem Untersten, alle anderen (Führungskräfte) sitzen daneben und sagen nichts (Seite 93).

Nicht genug damit wurde darauf verzichtet, den Ablauf solcher Dienstbesprechungen zu verschriften. Laut Kommission ging man seit 2014 beim Protokollieren von Dienstbesprechungen dazu über, nur mehr das Ergebnis zusammenzufassen. „Ab Ende 2014 war die inhaltliche Protokollierung nicht mehr gewünscht“, sagte eine Auskunftsperson der Kommission (Seite 141). So konnte man nachher beim besten Willen nicht mehr nachvollziehen, wer eine abweichende Meinung geäußert hatte und wer sich mit welchen „Empfehlungen“ und „Anregungen“ schließlich durchgesetzt hat.

Es kam zu einem „Verantwortungsnebel“, wie die Kommission es auf Seite 135 formuliert. Niemand musste die persönliche Verantwortung über die beschlossene Vorgangsweise bzw. Weisungen übernehmen, die – betreffend die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) – formal von der Oberstaatsanwaltschaft Wien erteilt wurden. Mitunter, so die Kommission, entstand sogar der Eindruck, man habe das Ergebnis solcher Dienstbesprechungen bereits vorab mit dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien besprochen, sodass in den Dienstbesprechungen“ kein Raum für eine kontroversielle Diskussion bleibt“ (Seite 144).

In diesen Dienstbesprechungen glänzte der Supersektionschef oft mit Detailwissen, mit dem ihn vorher „ausgewählten Rechtsanwaltskanzleien“ gefüttert hatten.