„Die müssen sich daranhalten und diese Betrugsfenster ebenso wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) als illegal einstufen.“ Dr. Axel Friedrich, der wesentlich zur Aufdeckung des Abgasskandals beigetragen hat, begründet, warum die Gerichte von EU-Mitgliedsstaaten die sog. „Thermofenster“ in Dieselautos auf keinen Fall ausnahmsweise genehmigen werden. „Sie müssen sich an die Vorgaben des EuGH halten und diese sind so eng, dass sie keinerlei Ausnahmen statuieren können und alle Betrugsfenster als unzulässig einstufen müssen“, so Dr. Friedrich im Interview.
In seinem jüngsten Urteil von 14. Juli 2022 hat der EuGH die „Thermofenster“ in den Dieselautos als illegal eingestuft, bei denen die Abgasreinigung unter normalen Bedingungen die meiste Zeit im Jahr („überwiegend“) ausgeschaltet wird und nur bei Außentemperaturen zwischen +15 bis +33 Grad voll funktioniert. Abschalteinrichtungen, die dafür sorgen, sind unzulässig, selbst wenn sie von einer Zulassungsbehörde genehmigt wurden, im Zuge eines Software-Updates erst im Nachhinein aufgespielt wurden und die Autos eine aufrechte Typengenehmigung haben.
Der EuGH hat den nationalen Gerichten die Entscheidung überlassen, ob sie diese grundsätzlich verbotenen Thermofenster ausnahmsweise zulassen. Gleichzeitig hat er den Spielraum für solche Ausnahmen deutlich eingeschränkt. Zwei Bedingungen für Ausnahmen wären laut EuGH demnach möglich.
Erstens wenn solche Abschalteinrichtungen verhindern, dass der Motor schwerwiegend geschädigt wird, plötzlich stehen bleibt oder zu brennen anfängt. „Das ist bei der Abschaltung des Abgasreinigungsystems (AGR) technisch ja nicht der Fall. Der Motor fängt an zu stottern an, bleibt aber nicht plötzlich stehen“, argumentiert Dr. Friedrich. Außerdem kann die On Board Diagnose (OBD), die in jedes Fahrzeug eingebaut werden muss, solche Fehler erkennen. Niemand käme auf die Idee, eine Kaffeemaschine zu verkaufen, bei es in 1 bis 2 Prozent der Fälle zu einem Stromschlag kommt. „Das wäre schon aus Gründen der Produktsicherheit verboten, sowas dürfte gar nicht auf den Markt kommen.“
Zweitens wären solche Abschalteinrichtungen nur möglich, wenn es zu der damaligen Zeit keine alternative Technologie gegeben hätte. Dazu Dr Friedrich: „Technische Alternativen gab es damals schon, wie die Modelle von VW, Audi, Daimler und BMW zeigen, die in die USA schon ab 2008 mit SCR Katalysator und AdBlue exportiert wurden“. Doch diese Alternativen waren um einiges teurer, kosteten damals etwa 500 Euro pro Fahrzeug, während die einfache AGR nur etwa 30 Euro kostet. Hier kommt wieder der EuGH ins Spiel, der in seinem Urteil zweifelsfrei festlegt, dass höhere Preise kein Hinderungsgrund sein dürfen, eine alternative Lösung einzubauen.
Dr. Friedrich widerspricht auch der Behauptung von VW und der deutschen Bundesregierung (festgehalten im EuGH-Urteil) , dass es sich bei den +15 bis 33 Grad, wo die Abgasreinigung voll funktioniert, nicht um die Außentemperatur handle, sondern um die Ansaugluft im Auto, die stets um 5 Grad höher sei, sodass die Abgasreinigung schon ab 10 Grad Außentemperaturen greife. „Das ist völliger Unsinn. Die Ansaugluft kommt von außen und entspricht der Außentemperatur“, schüttelt der Abgasexperte den Kopf. Offenbar unternimmt der Konzern und die deutsche Bundesregierung (deren Zulassungsbehörde Kraftfahrt-Bundesamt die Temperaturfenster beim Software-Update genehmigt hatte) damit den Versuch dazustellen, dass die Abgasreinigung doch nicht „überwiegend“ im Jahr abgeschaltet wurde. Bei einer durchschnittlichen Temperatur von 7,4 Grad Celsius in Österreich (2021) und 9,1 Grad Celsius in Deutschland (2021) würden aber selbst Thermofenster ab +10 Grad nicht verhindern können, dass das Abgasreinigung im Jahr überwiegend ausgeschaltet bliebe. „Laut EU-Regeln muss die Abgasreinigung auch bei minus 15 Grad Celsius funktionieren“
Insgesamt sei es pervers, ein Produkt zu verkaufen, das nur dann sicher ist, wenn es die meiste Zeit abgeschaltet wird, fügt Dr. Friedrich hinzu. Er begrüßt daher die vom EuGH festgelegte Vorgabe, dass Ausnahmen nicht zur Regel gemacht werden und dem Sinn des Gesetzes nicht zuwiderlaufen dürfe.