ZiB1-Wirtschaftsredakteurin Alexandra Siebenhofer brachte die Story als Erste gestern (09. Juli 2024) in der ZiB1: VW hat mit einem Super-Vergleich verhindert, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) heute um 11.30 mit einer neuen Variante des VW Abgasskandals befasst, die es in sich hat!
Es geht darum, dass auch neuere Dieselfahrzeuge von VW, die n a c h dem Platzen des Dieselskandals hergestellt worden sind, eine illegale Abschalteinrichtung installiert haben könnten. Es geht um Klein- und Kompaktautos, die zwischen 1. September 2014 bis 1. September 2017 produziert und bis September 2018 verkauft wurden.
Rechtsanwalt Mag. Michael Poduschka freut sich zwar, dass sein Klient bei diesem Super-Vergleich mehr Geld bekommen hat als er fürs Auto bezahlt hat, bedauert aber das Ausbleiben dese EuGH-Urteils, das anderen Klägern geholfen hätte.
„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Früher oder später wird es uns mit den 45 anhängigen Klagen gelingen, ein Höchsturteil und Schadenersatz für betroffene Kläger zu erwirken.“
Mag. Michael Poduschka
Worum genau geht’s beim neuem VW Skandal?
Es handelt sich Golf, Tiguans, Passats mit dem EA 288 Motor und der Abgasklasse Euro 6, also um den Nachfolger des ursprünglichen Betrugsmotors EA 189, der im September 2015 aufgeflogen ist und von dem weltweit über 10 Millionen Fahrzeuge betroffen waren, davon knapp 390.000 in Österreich.
VW hatte nach internen Überprüfungen stets ausgeschlossen, dass bei diesen neueren Dieselfahrzeugen eine illegale Software installiert worden sei (siehe AK Studie, Seite 26 f). Trotz dieser Dementis häuften sich aber die Hinweise, dass auch in diesen neueren Modellen eine unzulässige Abschalteinrichtung installiert sei.
Der zündende Funke
kam einmal mehr von Dr. Axel Friedrich, der als wissenschaftlicher Leiter des Emissionskontrollinstituts (EKI) – das zur Deutschen Umwelthilfe (DUH) gehört – bereits im November 2020 bei vielen Straßentests herausfand, dass diese Fahrzeug im Straßenbetrieb viel zuviel gesundheitsschädliches Abgas (Stickoxid) ausstoßen, weit mehr als die vom Grenzwert erlaubten 80 mg/km. Der Verdacht illegaler Abschalteinrichtungen lag also auf der Hand. Dr. Friedrich schränkte dabei stets (siehe auch AK Studie Seite 43ff) ein, dass dieser Verdacht nicht für sämtliche EA 288 Dieselmotoren generell gelte.
Technisch schaut der neue VW Skandal so aus:
Weil diese Autos der Abgasorm Euro 6 ja den strengeren Stickoxid-Grenzwert von 80 mg/km erfüllen müssen (und nicht 180 mg/km für Abgasnorm 5) haben sie zusätzlich zur Abgasrückführung (AGR) auch noch einen Katalysator eingebaut, den sogenannten NSK (Stickoxid-Speicher-Katalysator).
NSK (Stickoxid-Speicher-Katalysator):
An den Innenschichten dieses Katalysators wird Stickoxid gesammelt, das in gewissen Abständen durch „Regeneration“ gesäubert wird. Für diesen Regenerationsprozess muss das Auto auf einen anderen Motorbetrieb umschalten („Fett-Peaks“), bei dem aber mehr Treibstoff und mehr Russ (Partikel) entstehen.
Die vermutete Manipulation
besteht darin, dass das Auto, jedesmal bevor es auf den Prüfstand (NEFZ) kommt, dies schon im Vorkonditonierungszyklus (Precon) erkennt und dadurch eine Regenerationdur des NSK auslöst. Damit ist gewährleistet, dass die eigentliche NEFZ-Prüfung mit einem leeren NSK beginnt, sodass während des Testzyklus die Regeneration nur zweimal stattfindet, sodass die Stickoxid-Werte niedriger ausfallen.
Um herauszufinden, ob diese Praxis auch EU-rechtlich eine illegale Abschalteinrichtung darstellt (so wie die „Umschaltlogik“ und die „Thermofenster“) wurde der EuGH im Zuge einer Vorabentscheidung gefragt, ob es sich auch bei solch kontinuierlichen Prozessen um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Die am 10. Juli 2024 (heute) für 11.30 anberaumte Verhandlung von den Luxenburger Richtern wurde nach dem erzielten Vergleich mit dem Österreicher gestrichen.
Wie man sieht: Selbst im 9. Jahr Dieselkandal ist noch kein Ende abzusehen.