Erste Musterklage gegen Daimler

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vzbv-Vorstand Klaus Müller wirft Daimler laut APA eine bewusste Manipulation der Abgaswerte vor. Daimler hat nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) in hunderttausenden Dieselfahrzeugen ihrer Stammmarke Mercedes-Benz eine unzulässige Abgastechnik verwendet. Der Autobauer musste daher massenweise zwangsweise Autos zurückrufen, 250.000 allein in Deutschland und 23.000 in Österreich, ebenfalls per Gesetz. Daimler hält die eingebauten Funktionen allerdings für zulässig. „Trotz behördlicher Rückrufe bestreitet die Daimler AG bis heute, gezielt die Abgaswerte ihrer Fahrzeuge manipuliert zu haben“, sagte Müller. Das Gericht solle dies nun feststellen und den Verbrauchern Rechtsklarheit geben.

Die Verbraucherschützer werfen Daimler im Kern vor, in seine betroffenen Dieselautos unterschiedliche Abschalteinrichtungen eingebaut zu haben, heisst es im Bericht der APA Damit können Hersteller dafür sorgen, dass Autos während der Typengenehmigung die zulässigen Grenzwerte für Abgase einhalten. Im Straßenverkehr überschreiten sie diese dann aber teils deutlich.

Der  vzbv lässt aber nicht alle zurückgerufenen Daimler-Diesel zur Musterfeststellungsklage zu, sondern nur Autotypen von GLC und GLK mit dem Motor OM651. In Deutschland  könnten sich die Besitzer von nahezu 50.000 Mercedes GLC- und GLK-Modellen der Klage anschließen, in Österreich rund 4.200. „Der VSV unterstützt österreichische Inhaber von Fahrzeugen von Daimler Mercedes und bietet den kosten- und risikolosen Anschluss an der Musterfeststellungsklage durch unseren deutschen Vertrauensanwalt an“, betont VSV-Chef Dr. Peter Kolba.

Nach meinen Recherchen bei vzbv konzentriert sich diese Musterfeststellungsklage zunächst deswegen auf GLC und GKK, weil nach Ansicht des vzbv für diese Autotypen technisch hinreichende Erkenntnisse für Manipulationen vorliegen. Das ist aus meiner Sicht nicht schlüssig, weil allein Dr. Axel Friedrich im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe viele Messungen durchgeführt und mehrere Abschalteinrichtungen in Daimler-Fahrzeugen entdeckt hat. Hier eine gute Übersicht über alle Ergebnisse, nicht nur bei Daimler-Mercedes Autos: 2020-09-07_Tabelle_PEMS-Messungen_bis_Sept_2020.pdf (duh.de)

Daimler teilte laut APA mit, man halte die geltend gemachten Ansprüche für unbegründet, man werde sich weiter dagegen zur Wehr setzen – auch im Rahmen einer Musterfeststellungsklage. Durch eine solche könnten allerdings „wichtige Rechtsfragen effizienter geklärt werden, was wir grundsätzlich begrüßen“, hieß es. Die Musterfeststellungsklage soll aus Sicht der Verbraucherschützer vor allem den Weg zum Schadenersatz erleichtern.

Denn die Autos wurden teilweise bereits seit 2018 zurückgerufen, den Fällen droht Ende dieses Jahres die Verjährung. Eine ähnliche Musterfeststellungsklage hatte der vzbv 2018 gegen Volkswagen eingereicht. Anfang 2020 einigten sich Verbraucherschützer und VW auf einen Vergleich, den rund 245.000 Kunden akzeptierten. Volkswagen zahlte ihnen je nach Alter und Typ des Fahrzeugs zwischen 1.350 und 6.250 Euro, insgesamt 730 Millionen Euro. Das sind also rund 3.000 Euro im Durchschnitt.

Von diesem Vergleichsangebot wurden jedoch die rund 1.100 Geschädigten aus Österreich und Südtirol ausgeschlossen, die der VSV vermittelt hatte. In der Folge brachte etwa die Hälfte der Ausgebooteten mit Hilfe des VSV und eines Prozessfinanzierers individuelle Klagen in Deutschland ein. Die ersten fünf Klagen haben die Österreicher vor den deutschen Gerichten bereits gewonnen. Einige von ihnen hätten ohne die Beteiligung am Musterfeststellungsverfahren keine Chance vor Gericht gehabt, denn ihre Ansprüche wären verjährt gewesen. Mit Hilfe der Beteiligung an der Musterfeststellungsklage konnte die Verjährung aber gestoppt werden.

Vorstand Müller erklärte sich auch im Fall Daimler für Vergleichsverhandlungen offen, wobei die Ausgangslage anders sei als bei VW, so Müller laut APA. „Im Unterschied zu Volkswagen steht bei Daimler statt einer Abschaltvorrichtung ein ganzes Sammelsurium an Manipulationsvorwürfen im Raum.

“ Zuletzt hatte es gegen Daimler eine ganze Reihe einzelner Schadenersatzklagen gegeben – mit unterschiedlichem Ausgang.  Juristische Klarheit darüber, ob Daimler nun vorsätzlich oder sittenwidrig gehandelt hat, herrscht aber weiterhin nicht. Während der EuGH bereits im Dezember 2020 jede Art von „Thermofenster“ (Betrugsfenster!) als illegal ansieht, tat dies der deutsche BGH bisher nicht. Müller sagte, die technische Vielfalt der Fahrzeugmodelle stelle die Gerichte vor eine Hürde. Die Fälle seien nicht pauschal verallgemeinerungsfähig wie bei VW.

Laut Angaben von Daimler sei in den Individualverfahren vor deutschen Land- und Oberlandesgerichten  rund 95 Prozent der Fälle zu Gunsten des Unternehmens entschieden worden. Allerdings handelt es sich nach Konzernangaben bei dieser Rechnung um alle Diesel-Verfahren und nicht nur um jene, in denen es um Autos mit dem Motortypen OM651 ging.