Der Kommissionsbericht zeigt ausführlich, wie eng der Supersektionschef Pilnacek mit dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien verbunden war und wie sich „Ämterpatronage“ lohnt, von der die Kreutner-Kommission spricht. Eine Hand wäscht die andere, sagt dazu der Volksmund. Mit welchen illegalen Methoden der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien versucht hat, seinem Freund und Unterstützer Pilnacek aus der Patsche zu helfen, zeigt ein Beispiel aus der Causa Eurofighter:
Im Spiel war nicht nur Geheimnisverrat und Amtsmissbrauch, sondern man konstruierte ein falsches Alibi, das zum Glück nicht hielt. Monatelang bekam der Supersektionschef geheime Akten übermittelt, von einem Oberstaatsanwalt. Mit im Spiel waren auch Medien.
9. Eurofighter: Auf Geheimnisverrat folgte falsches Alibi
Das Oberlandesgericht Wien LG Wien hatte am 18.8.2018 entschieden, dass einem Beschuldigten des Eurofighter-Verfahrens das Recht auf Akteneinsicht zu Unrecht verweigert worden war (auf Beschwerde dieser Beschuldigten). Darauf beauftragte Supersektionschef Pilnacek am 12. Dezember 2018 per Weisung den fallbearbeitenden Staatsanwalt damit, sicherheitsrelevante Teile der Unterlagen, die das Bundesministerium für Landesverteidigung übermittelt hatte, aus dem Ermittlungsakt zu nehmen und dem Bundesministerium für Landesverteidigung zurückzustellen (Seite 173).
Nach einer Parlamentarischen Anfrage eines Abgeordneten und einer Anfrage eines ORF Journalisten schickte Pilnacek dem ORF Journalisten am 21. Dezember 2018 um 15:2 Uhr diese Weisung per Mail zu, was er nicht darf und Amtsmissbrauch wäre. Diese Weisung wurde wenig später – im Februar 2019 – von einem Zeugen in einem ganz anderen Verfahren der Staatsanwaltschaft Eisenstadt vorgelegt.
Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt sah in dieser Weisung einen Grund, strafrechtlich zu prüfen, ob Supersektionschef Pilnacek das Amtgeheimnis verletzt habe. Als der Leiter der Staatsanwaltschaft Eisenstadt ordnungsgemäss die zuständige Oberbehörde, den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, über diesen Verdacht auf Amtsmissbrauch gegen Pilnacek informierte, hatte der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien nichts Eiligeres zu tun, als sofort – am 26.2. 2019 – Pilnacek per Chat über die gegen ihn eingebrachte Amtsmissbrauchs-Klage zu verständigen (Seite 176). Er schreibt ihm wörtlich:
Jetzt hat der Pilz dich angezeigt…
„Lieber Christian, zu Deiner ganz persönlichen Vorausinformation:jetzt hat der Pilz Dich angezeigt wegen Deinem im Rahmen der Medienarbeit versandten E-Mail zur Eurofigherweisung an den ORF vom 21.12. 15:02 Uhr. Frag mich nicht, wie er zu dem Mail kommt. Der hält uns wohl für blöd“ (Seite 176).
Nicht genug damit, versicherte der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien darin dem beschuldigten Pilnacek auch noch, dass er „keinen Anfangsverdacht hege“. Pilnacek empört sich darüber, dass er in dieser Causa überhaupt überprüft werde und fragt, warum man das nicht sofort einstelle gemäß §35c StAG. Der Leiter der Staatsanwaltschaft Wien antwortet, dass es seines Erachtens „eh ein §35c StAG sei „, aber auch das „müssen wir gscheit zu Papier bringen“ (Seite 176). Was darunter gemeint war, enthüllt ein späteres Mail dieses Leiters an Pilnacek (vom 28. August 2019): darin teilte der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien dem Supersektioschef Pilnacek mit, dass aufgrund seines Gedächtnisprotokolls „der §35c StAG auch aktentechnisch klar“ sei (Seite 176).
Was steht in diesem Gedächtnisprotokoll, das der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien am 28.2.2019 angefertigt hatte? Darin bezeugte er, dass ihn am 28.12.20218 besagter ORF Journalist kurz vor 12 Uhr angerufen hätte und dass der Journalist sehr detailliert über diese Weisung informiert gewesen sei (Seite 174).
Kurzum: Er wollte seinen Freund Pilnacek vom Verdacht auf Geheimnisverrat freispielen, indem er behauptete, dass der Journalist an diesem Tag schon um kurz vor 12 Uhr den Inhalt der Weisung bestens gekannt habe, noch b e v o r ihm am Nachmittag um 15:2 Uhr Pilnacek die Weisung zugeschickt hatte.
Das Ziel der Aktion liegt auf der Hand
Die Idee dieses kontruierten Alibis: Der Journalist habe vor seinem Telefonat mit Pilnacek ohnehin alles über die Weisung gewusst, also musste er diese Weisung von einer anderen Quelle bekommen haben und nicht von Pilnacek. Doch das versuchte Alibi fliel ins Wasser.
Denn es folgte eine neuerliche Anzeige eines weiteren NR-Abgeordneten. Nun beauftragte die Generalprokuratur der Republik Österreich die Staatsanwaltschaft Linz, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Pilnacek u n d gegen den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu überprüfen: denn der besagte ORF Journalist hatte inzwischen angegeben, zum Zeitpunkt seiner Anfrage an Plinacek den Inhalt der Weisung nicht gekannt zu haben und zu keinem Zeitpunkt mit dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien über die Weisung gesprochen zu haben (Seite 175). So wurde dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien vorgeworfen, er habe selbst Geheimnisverrat geübt und dem Supersektionchef Teile eines Aktes übermittelt, der unter Verschluss stand (Seite 175).
An dieser Stelle gibt es im Bericht der Kreutner-Kommission einige Schwärzungen, sodass weitere wichtige Fragen offen bleiben.
10. Leiter einer Oberstaatsanwaltschaft leitete monatelang Verschlussakten an Pilnacek weiter
„Pseudoamikale Struktur führt zu undurchsichtigen Verklumpungen“, stellt die Kreutner Kommission auf Seite 186 fest. Im Volksmund heisst das Freunderlwirtschaft. Als Beispiel führt die Kommission das Beispiel einer Journalistin an. Alsdann: der Leiter einer Oberstaatsanwaltschaft leitete an Supersektionschef Pilnacek zwei Seiten eines Aktes weiter, den er zur Revision bekommen hatte. Daraus geht hervor, dass mehrere Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsanwälte einer Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen eine Journalistin erstattet hatten wegen eines von ihr verfassten Artikels (Seite 186) Derselbe Leiter einer Oberstaatsanwaltschaft hat dem Supersektionschef P. in der Zeit von 1.9.2020 bis 25.2.2021 via Messingerdienst Signal Aktenteile weitergeleitet, darunter auch Verschlussakten. Am 25.2.2021 leitete er auch einen Beschluss des Oberlandesgerichts von Wien von 19.2.2021 in einer Strafsache weiter.
Um diese Infos via Signal zu verbergen, hatte der Supersektionschef bei Signal eine automatische Löschung nach 12 Stunden eingestellt.(FN 376 von Seite 187). Welche Oberstaatsanwaltschaft der erwähnte Leiter leitet, ist dem Bericht der Kreutner-Kommission nicht zu entnehmen. Auffällig: wenn es sich um die Leitung der Oberstaatsanwaltschaft Wien handelt, wird diese beim Namen genannt.