EA 288: Nix hören, nix sehen…

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EA steht für „Entwicklungsmotor“. Der EA 189 war in die 11 Millionen Betrugsdiesel-Autos von VW, Audi, Skoda und Seat der Abgasklasse Euro 5 eingebaut worden, die wegen illegaler Abschalteinrichtungen weltweit zurückgerufen wurden. Nun steht das Nachfolgemodell in dieser Kompaktklasse, der EA 288, im Verdacht, ebenfalls eine illegale Abschalteinrichtung zu haben und daher viel zuviel Abgas (Stickstoffoxid) auszustoßen.

Sofort nach Platzen des ersten Dieselskandals im September 2015 hatte der damalige deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Auch andere Auto-Modelle, nicht nur solche aus dem VW-Konzern, sollten danach überprüft werden, ob sie illegale Abschalteinrichtungen haben. Ebenso wurde kontrolliert, ob der VW Konzern auch bei den Nachfolgemotoren des Betrugsmotors trickst, die bereits seit 2013 in die neuen Autos der Kompaktklasse (1,6 und 2 Liter Hubraum) der Abgasnorm Euro 6 eingebaut und bis September 2017 verkauft wurden.

Untersucht wurden 53 Autos und der Bericht der „Untersuchungskommission Volkswagen“ am 22. April 2016 veröffentlicht. An mehreren Stellen wird ausdrücklich festgehalten, dass beim EA 288 alles sauber sei. So heißt es auf Seite 12 wörtlich: „Hinweise, die aktuell laufende Produktion der Fahrzeuge mit Motoren der Baureihe EA 288 (Euro 6) seien ebenfalls von Abgasmanipulationen betroffen, haben sich hierbei auf Grundlage der Überprüfungen als unbegründet erwiesen.

Am Bespiel des Audi A3 2.0 l Euro 6 EA 288 auf Seite 20 heißt es wörtlich: „ Dieses Fahrzeug ist mit dem Motor EA 288, dem Nachfolger des EA 189, ausgestattet und erfüllt die Euro 6-Anforderungen. Der VW-Konzern hatte hierzu die Erklärung abgegeben, dass diese Fahrzeuge nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet wären. Diese Hersteller- aussage wurde mit höchster Priorität durch die KBA-Felduntersuchung verifiziert, da diese Fahrzeuge der aktuellen Produktion entsprechen.

Die aufgezählten Testergebnisse zeigen tatsächlich, dass dieses Fahrzeug überall unter dem Grenzwert für Stickstoffoxid (=80 mg/km) liegt, sogar beim Straßentest RDE. Deshalb hat das KBA diesen Audi in die Gruppe I eingereiht, also in jene Fahrzeuge, „die ein unauffälliges Verhalten zeigten oder bei denen die Hersteller gewisse Auffälligkeiten in der Höhe der NOx-Werte technisch plausibel und akzeptabel darstellen konnten“.

Zu einem völligen anderen Ergebnis kamen die Experten der deutschen Umwelthilfe (DUH) einige Jahre später bei diesem Auto.  Dr. Axel Friedrich vom Emissionskontrollinstitut (EKI) musste bei so einem Audi 3 mit EA 288 Motor (2 l) einen massiven Stickstoffoxid-Ausstoß von 438 mg/km messen. Das ist fünf Mal mehr als der Grenzwert von 80 mg/km erlaubt. Faktor 5!

Warum dasselbe Auto von der Untersuchungskommission als harmlos eingestuft wurde, erschließt sich erst, wenn man genau auf die Umgebungstemperatur schaut, in der das KBA damals die Autos getestet hatte: Die Umgebungstemperatur lag bei +15 Grad Plus, beim Straßentest RDE sogar bei +22 Grad. Was wir heute wissen: Bei derart warmen Temperaturen funktioniert die die Abgasreinigung diese Autos noch sehr gut. Reduziert oder komplett weggeschaltet wird sie ja immer erst, wenn es draußen kalt wird.  Die Existenz solcher „Thermofenster“, innerhalb derer die Abgasreinigung tadellos arbeitet, war den Prüfern des KBA offenbar zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst.

Mit Sicherheit davon gewusst haben die damit befassten Techniker des VW Konzerns.  Die Behörde ist dem Konzern offensichtlich auf dem Leim gegangen.

Ein zweites Beispiel findet sich im Bericht auf Seite 22: Diesmal geht es um einen  Audi A6 2.0 l Euro 6 EA 288. Zitat aus dem Bericht Seite 22:“ Bei diesem Fahrzeug gelten grundsätzlich dieselben Feststellungen, wie bei allen VW-Konzernfahrzeugen mit dem Motor EA 288 mit der Emissionsstufe Euro 6. In allen NEFZ-Tests liegt das Fahrzeug unterhalb der gesetzlichen NOx-Grenzwerte. Die RDE-Messung zeigt einen NOx-Wert in Höhe des 3-fachen Grenzwerts.“

Den letzten Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Dieses Auto stößt dreimal soviel schädliches Abgas (Strickoxid) aus, als der Grenzwert erlaubt. 246 mg/km statt der erlaubten 80mg/km. Das ist der Untersuchungskommission jedoch völlig egal. Bereits am Anfang des Berichts betont sie, dass sie mit den Herstellern erst Rücksprache hält, sobald das Dreifache des Grenzwertes überschritten wird. (Seite 18)  Eine schöne Marscherleichterung für einen Täter! Stellen Sie sich vor, Sie würden von den Polizei erst angehalten, wenn sie mit mehr als 150 km/h durch die Stadt rasen statt der erlaubten 50!

Auch diesmal finden die Messungen des KBA unter wärmeren Außentemperaturen statt, zwischen +6,4 bis ´+11,2, beim Straßentest RDE waren es sogar +14,3 Grad.

Im Bericht der Untersuchungskommission werden auf Seite 60  fünf weitere Modelle mit EA 288 untersucht:

VW Golf VII 1.6 l Blue Motion Euro 6 EA 288

VW Golf VII 2.0 l Euro 6 EA 288

VW Passat 2.0 l Euro 6 EA 288

VW Sportsvan 2.0 l Euro 6 EA 288

VW Touran 2.0 l Euro 6 EA 288

Ebenda wörtlich im Bericht : „Diese Fahrzeuge sind mit dem Motor EA 288, dem Nachfolger des EA 189, ausgestattet und erfüllen die Euro 6-Anforderungen. Der VW-Konzern hatte hierzu die Erklärung abgegeben, dass diese Fahrzeuge nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet wären. Diese Herstelleraussage war mit höchster Priorität durch die KBA-Felduntersuchung zu verifizieren, da diese Fahrzeuge der aktuellen Produktion entsprechen. Die VW-Konzernfahrzeuge erfüllen bis auf die Fahrzeuge mit NSK (VW Golf VII 2.0 l) bereits jetzt die Bedingungen der zukünftigen RDE-Gesetzgebung. In allen NEFZ-Tests liegen die Fahrzeuge unterhalb der NOx-Grenzwerte bzw. bei den NSK-Varianten im Bereich 2-3-facher NOx-Erhöhung bei den PEMS-Straßenfahrten.“

Sehr erstaunlich. Der beanstandete  Golf VII 2.0 l EA 288  hatte einen massiven Stickoxid-Ausstoß von 291 mg/km bei +5 Grad Außentemperatur. Das ist ein klarer Fall eines Gesetzesbruchs, denn immerhin wird der  Grenzwert (=80 mg/km) um das 3,5-Fache übertroffen. Das müsste eigentlich den milden Prüfern, die eine dreifache Übertretung dulden, zuviel sein.  Aber was passiert? Nichts! Kein Rückruf dieses Autos!  Bis heute nichts.

Fazit: Die Tests des KBA fanden meist bei warmer Umgebungstemperatur statt und nicht bei kalten Temperaturen. Von vornherein kamen die Prüfer dem Konzern extrem entgegen: auf dem Prüfstand-Test beanstandeten sie  Abweichungen erst, wenn sie über 10 Prozent ausmachten.  Wie gesagt,  hat die Kommission Stickoxid-Überschreitungen bis zum 3 fachen des Grenzwertes gar nicht beanstandet. Bevor Abschalteinrichtungen für illegal eingestuft wurden, klärte man im Gespräch mit dem Konzern, ob sie man sie auf einen legalen Tatbestand zurückzuführen seien (Seite 18)

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