Dass Personen in gewünschte Positionen gehievt und andere an Karrieresprüngen verhindert werden, nennt die Kreutner-Kommission „Ämterpatronage“, die selbstverständlich verboten ist. Wer solche Personen unterstützt, hat zwar nicht immer einen direkten oder sofortigen Vorteil, erwartet sich aber von der unterstützten Person „Gewogenheit“ in der Zukunft (Bericht Seite 196,191). Am Beispiel Leitung der Obersten Staatsanwaltschaft Wien zeigte sich, wie weit so eine „Gewogenheit“ reichen kann.
Nachfolgend einige Beispiele aus dem Kommissionsbericht: Besetzung der Leitung der Oberstaatsanwaltschaft Wien im Jahr 2014, die willkürliche Degradierung eines Abteilungsleiters im Justizministerium und den Interventionsversuch des Ex-Supersektionschefs Pilnacek für seine angetraute Ehefrau.
6. „Ämterpatronage“ bei der Besetzung des Obersten Staatsanwaltes Wien
2014 wurde Eva Marek von Ex-Justizminister Brandstetter zur Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien bestimmt. Schon nach zwei Jahren, ab 2016, übernahm diese Stelle Mag. Johann Fuchs, der sie bis heute innehat und der laut Kommission ein enges Naheverhältnis zum verstorbenen Supersektionschef hatte.
Aus späteren Mails Eva Mareks (2016) an Ex-Justizminister Brandstetter und an die NÖ-Landeshauptfrau Mickl-Leitner geht hervor, warum sich die damalige Hofrätin des Obersten Gerichtshofs 2014 für den Posten einer Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien beworben und dafür sogar für „schwere Gehaltseinbußen“ in Kauf genommen hatte (Seite 194).
Sie hatte sich auf Wunsch des damaligen Justizministers Brandstetter um die Leitung der Oberstaatsanwaltschaft Wien beworben, um dem Justizminister aus einer „auswegslosen“ Situation zu helfen und zwei andere, qualifizierte Bewerberinnen zu verhindern, die von der Personalkommission für den Posten empfohlen worden waren.
Der Justizminister hatte sich damals über diese Empfehlungen der Personalkommission hinweggesetzt, ein Hearing anberaumt und danach Eva Marek zur Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien berufen. Zwei Jahre später – 2016 – wollte sie zur Generalprokuratorin der Republik aufsteigen, wie ihr vom Justizminister offenbar versprochen worden war. Daraus wurde aber nichts, denn Generalprokurator wurde Dr. Franz Plöchl. Die gescheiterte Bewerberin Marek beklagte sich in ihren Mails über ihre „unfassbare Demütigung“ , den Verlust ihrer „höchstrichlichen Laufbahn“ und dass sie zu einer „Lachnummer“ avanciert sei. Zynisch dankte sie ihm für das „Einhalten unserer Gespräche“ und fügt hinzu: „Du hast mich noch am Tulbinger Kogel zur Bewerbung aufgefordert. Hast nicht einmal den Weg um Telefon gefunden, um mich vor der Schmach zu bewahren“ (Seite 194).
Schon mit Beginn der Amtszeit Mareks hat sich die „Haltung der Leitung der Staatsanwaltschaft Wien zu den fallführenden Staatsanwälten grundlegend verändert (Seite 91). Danach habe zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der Oberstaatsanwaltschaft Wien und dem Sektionschef im Bundesministerium für Justiz „kein Blatt mehr gepasst“. Es sei eine stimmungsgemäße Gleichschaltung zwischen Oberstaatsanwaltschaft Wien, Sektionschef und dem Minister entstanden. Ganz anders hatte die Leitung der Oberstaatsanwaltschaft Wien (2003-2014) vor Marek gehandelt: dieser hat in der Regel die Position der fallführenden Staatsanwälte unterstützt. Damals habe ein „Gleichgewicht des Schreckens“ zwischen Oberstaatsanwaltschaft Wien und dem Sektionschef geherrscht. (191)
7. Willkürliche Degradierung eines Abteilungsleiters im Justizministeriums, Supersektionschef informiert Ex-Justizminister
Im Zuge einer Umorganisation im Justizministerium wurde am 1.12. 2015 ein Abteilungsleiter per Weisung abberufen und zum Referatsleiter degradiert, obwohl er allerseits als hervorragend geeignet eingestuft worden war. Besondere Bosheit: Der Bescheid wurde ihm erst einen Tag zugestellt, nachdem die Frist zur Säumnisbeschwerde abgelaufen war (Bericht Seite 195). Der degradierte Abteilungsleiter beschwerte sich beim Bundesverwaltungsgerichtshof und bekam am 8.8.2018 auch Recht: Seine Abberufung war unsachlich und willkürlich gewesen (Seite 157).
Was machteSupersektionschef, als er vom Ergebnis des Bundesverwaltungsgerichtshofs erfuhr, das noch unveröffentlicht war? Pilnacek hatte nichts Eiliges zu tun, als mit Ex-Justizminister Brandstetter am 14.8.2018 für den 16.8.2018 ein Treffen auszumachen. Dabei informierte er diesen vorab von diesem noch unveröffentlichten Ergebnis und auch über eine mögliche Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs. Am 17.8.2018 bedankt sich Brandstetter bei Pilnacek per Chat: „Danke nochmals für die wertvolle Info“ (Bericht Kommission 184). Plinacek war nicht befugt, diese Info dem Beschuldigten weiterzugeben.
8. Supersektionschef interveniert für seine Frau
Anfang 2021 intervenierte der damalige Sektionschef Pilnacek beim damaligen steirischen Landeshauptmann. Er wünscht diesem „Prosit Neujahr“ und empfiehlt seine Frau als Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Graz mit den Worten: das wäre Gelegenheit, das an unserer Familie begangene Faul auszugleichen“. Diese Intervention war nicht erfolgreich.