12 Highlights aus der Dieselstudie

12 Highlights aus der Dieselstudie

13. Juli 2023 – Dieselskandal

Heute, am 13. Juli 2023, wurde die Studie „Dieselskandal – Ein Update: Auswirkungen der Abgasmanipulationen bei Dieselautos in Österreich“ veröffentlicht, die ich, Mag. Lydia Ninz, gemeinsam mit Dr. Alexander Holzleitner von der Rechtsanwaltschaftskanzlei Poduschka im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) erstellt habe. (Die diesbezügliche Pressekonferenz ist auf vimeo.com ersichtlich.) Hier sind die zwölf wichtigsten Highlights aus der 136 Seiten starken Studie:

1. DOPPELT SOVIEL BETROFFENE AUTOS ALS BISHER BEKANNT

Der Dieselskandal ist in Österreich doppelt so groß als bisher bekannt: Bereits 537.000 Dieselautos mussten wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen verpflichtend oder freiwillig zurückgerufen werden. Nicht nur Autos vom VW Konzern (VW, Seat, Skoda, Audi, Porsche), sondern auch von Mercedes, Opel, Renault und BWM. Dazu kommen noch 253.000 neuere Dieselautos, hauptsächlich von VW, deren Abgasreinigungen durch freiwillige Serviceaktionen optimiert werden mussten. Mit insgesamt knapp 800.000 Dieselfahrzeugen hat der Dieselskandal ein doppelt so hohes Ausmaß erreicht als die bisher kolportieren 380.000 VW Dieselautos der ersten Stunde, die im September 2015 aufgeflogen sind.

2. WEITERE VERDOPPELUNG AUF 1,6 MILLIONEN MÖGLICH

Die 800.000 könnten sich im Extremfall noch einmal verdoppeln und insgesamt 1,6 Millionen erfassen, praktisch alle Dieselautos, die zwischen 2010 und 2018 in Österreich verkauft wurden. Sie haben sog. „Thermofenster“ eingebaut, sodass die Abgasreinigung nur bei bestimmten Temperaturen voll funktioniert. Solche “Thermofenster” sind laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) und Obersten Gerichtshof (OHG) grundsätzlich unzulässig, wenn sie die meiste Zeit im Jahr die Abgasreinigung ausschalten bzw. reduzieren. Diese Autos sind nicht rechtskonform typisiert, es droht ihnen der Entzug der Betriebsgenehmigung bzw. die Stilllegung, sodass man sie weder fahren noch verkaufen kann.

3. SOFTWARE-UPDATES SCHÜTZT VOR STILLEGUNG NICHT

Auch Dieselfahrzeuge von VW, bei denen bereits Software-Updates durchgeführt wurden, sind vom Entzug der Betriebsgenehmigung bedroht.  Mit solchen Software-Updates (Aufspielen einer neuen Software) hätten die manipulierten Autos in einen rechtskonformen Zustand gebracht werden sollen. Die deutsche Zulassungsbehörde hatte den Autokonzernen damit die wirtschaftlich günstigste Möglichkeit geboten, ihre Manipulationen zu reparieren. Anders als in den USA wurden die Autokonzerne in Europa von Politik und Behörden weder zu Straf- noch zu Schadenersatzzahlungen gezwungen. Stattdessen wurde mit einer drohender Stilllegung Druck auf die betrogenen Käufer:innen ausgeübt, die Software-Updates durchführen zu lassen. VW hat aber auch bei den Software-Updates noch „Thermofenster“ eingebaut, sodass die Abgasreinigung nur wenige Monate (bei Außentemperaturen zwischen +15 und +33 Grad)  soll funktioniert.  In Deutschland hat der Verwaltungsgerichtshof (VG) Schleswig hat auf Antrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bereits in ersten Instanz entschieden, dass diese Software-Updates die Autos nicht in einen rechtskonformen Zustand versetzen.

4. AUCH BISHER NICHT ZURÜCKGERUFENE AUTOS BETROFFEN

Sollte dieses Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Schleswig – was zu erwarten ist – rechtskräftig werden, wären nicht nur die Software-Updates von VW wirkungslos, sondern auch die Updates anderer Automarken , weil der beurteilte Fall (VW Golf) als Musterfall für 119 weitere Automodelle gilt, für die VW Töchter Audi, Porsche, und Seat, aber auch für die Automarken Mercedes, Opel und BMW. Die Folgen wären auch in Österreich zu spüren, da die Freigaben der Software-Updates durch die deutsche Behörde auch für Österreich gelten. Damit nicht genug, droht der Entzug der Typgenehmigung auch jenen Dieselautos, die bisher noch gar nicht zu Software-Updates gerufen wurden, obwohl in ihnen seit 2010 “Thermofenster” eingebaut sind. 

5. UPDATES VON 356.000 VW Autos rechtswidrig und wirkungslos

Mit anderen Worten: wer brav zum Software-Update gefahren ist und womöglich Nachteile bzw. geändertes Motorverhalten in Kauf genommen hat, steht gleich schlecht da wie alle, die das Software-Update verweigert haben. Bei VW der ersten Stunde wären 356.000 Software-Updates sprichwörtlich für die Katz! Diese Autobesitzer wären gleich doppelt betrogen.

6. BERGLUFT AUCH IM SOMMER VERPESTET – TIROL HAT DEN SCHERBEN AUF

In der Öffentlichkeit bisher völlig unbekannt ist, dass die manipulierten Dieselautos nicht nur „Thermofenster“ als unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut haben. Bei den VW-Dieselautos der ersten Stunde, die 2015 aufgeflogen sind, ist amtlich belegt, dass die Abgasreinigung ab einer Meereshöhe von 1.000 Metern komplett abgeschaltet wird, auch im Sommer. Auch diese Form der Abschalteinrichtung wurde vom EuGH als zuzulässig eingestuft. Für Österreich und seine Berge sind die Auswirkungen besonders krass. Immerhin gibt es 136 Orte und Erholungsgebiete über 1.000 Meter, die meisten davon in Tirol. Beispiel: In Ischgl bei 1.377 Meter über dem Meeresspiegel sind alle manipulieren Dieselautos von VW rund um das Jahr im Dreckmodus unterwegs, die der Gäste und der Einheimischen. Ausgerechnet dort, wo Menschen Erholung suchen.

7. 38.000 vorzeitige Tote wegen Mehr-Emissionen durch Dieselautos

Beim Abgasskandal geht es nicht um das Treibhausgas CO2, sondern um das Abgas Stickoxid (NOx): es greift die Lungen an, verstärkt Asthma und Allergien vor allem bei Kindern, führt zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und führt zu vorzeitigen Todesfällen. Es schädigt zudem die Umwelt, trägt zusammen mit anderen Schadstoffen zur Ozon- und Feinstaubbildung bei. Durch die manipulierten Dieselautos kam es weltweit zu 38.000 vorzeitigen Todesfällen.

8. ERLAUBTE HÖCHSTWERTE (GRENZWERTE) 5-FACH ÜBERSCHRITTEN

Die manipulierten Dieselautos haben den erlaubten Höchstwert (=Grenzwert) nicht nur ein bisschen überschritten, auch nicht doppelt und dreifach, sondern fünffach. Zum Beispiel war es bei den zwischen 2010 und 2015 als Neuwagen verkauften Dieselautos (Abgasnorm Euro 5) erlaubt, maximal 180 Milligramm NOx pro Kilometer (mg/km) auszustoßen. Tatsächlich waren es – amtlich(!) gemessen – 960 mg/km, also mehr als das Fünffache.

9. GIGANTISCHE MEHR-EMISSIONEN AUS DER STATISTIK ENTFERNT

Insgesamt haben manipulierte Dieselautos in Österreich in zehn Jahren (2010 bis 2019) zusätzlich 440.000 Tonnen NOx in Österreichs Luft geschleudert. Das ist das Vierfache aller NOx Emissionen Österreichs in einem Jahr. Diese gigantischen Mehr-Emissionen wurden aus der offiziellen Emissions-Statistik entfernt – ganz legal, mit Zustimmung der EU. Österreich vermied damit ein Vertragsverletzungsverfahren. Aber aus der Luft sind diese Unmengen an Abgasen dadurch nicht verschwunden.

10. 23 MRD Euro FÜR USA - 10 MRD FÜR REST DER WELT

Für 560.000 manipulierte Dieselautos in den USA musst VW 23 Mrd. Euro an Schadenersatz und Strafen zahlen. Für den „Rest der Welt“ fielen nur 10 Mrd. Euro für 10 Millionen Autos an. Zwischen 5.000 bis 10.000 Dollar Schadener-satz wurden den Nordamerikanern zusätzlich zum Rückkauf der Autos gezahlt, sogar an Leasing-Nehmer und frühere Besitzer. Vergleiche nach Sammelklagen gab es nur in Staaten mit rechtlich guten Karten für Kläger:innen. Neben den USA und Kanada waren es Südkorea, Australien, Brasilien, England mit Wales sowie Deutschland. In Deutschland wurde für VW Dieselautos der ersten Stunde eine Musterfeststellungsklage durchgeführt. Kurz bevor der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) bei diesen Autos arglistige und vorsätzliche Täuschung durch VW feststellte und den Kund:innen Schadenersatz zusprach, lenkte VW ein und zahlte 770 Millionen Euro für 245.000 klagende deutsche VW-Käufer:innen. Ausgegrenzt blieben ausländische Käufer:innen, darunter.  1.100 Sammelkläger:innen aus Österreich, die der Verbraucherschutzverein (VSV)  unterstützt hatte.

11. VKI SAMMELKLAGEN STOCKEN - 70 KLÄGER TOT – VERGLEICH FÜR POLIZEI

Was die VW Autos der ersten Stunde betrifft, gibt es eine eindeutige Verurteilung aller Höchstgerichte: EuGH, BGH und OGH. Dennoch befinden sich die 2018 begonnenen Sammelklagen des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) für 10.000 Betroffene noch immer in der Warteschleife. 70 Kläger:innen sind inzwischen gestorben. Nur in fünf von 16 Landesgerichten wird derzeit verhandelt. In trockene Tücher gebracht hat der Anwalt des Bundes (Finanzprokuratur) einen 1,5 Millionen Euro Vergleich für 2.500 Polizeiautos mit dem Argument, die Software-Updates hätten den ursprünglichen Schaden nicht behoben. Erstaunlich: die meisten Polizeifahrzeuge waren nicht gekauft, sondern geleast.

12. DIE MASSIVEN GEWINNE DER AUTOHERSTELLER

Trotz des Dieselskandals sind die Gewinne der Autohersteller in den letzten 10 Jahren kräftig angewachsen. Allein der VW Konzern wies in seiner Bilanz Gewinne von 124 Milliarden Euro aus, bei Mercedes sind es 94 Milliarden Euro.