Mit Kürzung der Familienbeihilfe für nicht-österreichische Staatsbürger hat Österreich gegen Gleichheitsgrundsatz und Verfassung verstoßen, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH). Österreich wird dieses Urteil auch umsetzen, versicherte Finanzminister Magnus Brunner im Klub der Wirtschaftspublizisten an, ließ aber offen, wann und wie. Dagegen hat Österreich das glasklare EuGH-Urteil gegen VW im Dezember 2020 bis heute nicht umgesetzt und damit 10.000 Sammelkläger auf die Wartebank verbannt, so wie mich. Und Deutschland hat ein weiteres EuGH-Diesel-Urteil auch nur halbherzig umgesetzt.
Rechtsstaatlich ist es höchst bedenklich, wenn EU-Mitgliederstaaten höchstgerichtliche Urteile nicht oder nur halb umsetzen und man sich schon über die nackteTatsache freuen muss, dass ein Staat überhaupt auf ein EuGH-Urteil reagiert. Bei der Familienbeihilfe bleibt offen, wie lange das dauert.
Bei der Familienhilfe für nicht-österreichische Beihilfe hat uns Altkanzler Kurz und seine türkis-blaue Regierung ein veritables Eigentor geschossen. Und zwar im vollen Bewusstsein, denn so gut wie alle Rechtsexperten waren sich von vornherein darin einig, dass es verfassungsrechtlich nicht zulässig ist, die Beihilfe für Kinder zu kürzen, wenn sie im Heimatland leben. Immerhin zahlen ihre in Österreich arbeitenden Eltern genauso hohe Steuern und Abgaben wie Österreicher. Altkanzler Kurz hatte sich mit Hilfe von Meinungsumfragen (von wem bezahlt?) zuvor versichert, dass ein Großteil der Bevölkerung dafür war, die Familienbeihilfe für Ausländer an das niedriger Preisniveau der Herkunftsländer zu senken. Kurz und die Seinen wurden auch dafür mit großen Wahlsiegen belohnt, die rechtsstaatlichen Bedenken wurden allesamt ignoriert, obwohl sich in den Reihen der ÖVP namhafte Verfassungsjuristen befinden, die es besser wussten. Keiner hat aufgemuckt. Selbst Österreichs Staatsoberhaupt van der Bellen brummelte nur, dass er es nicht verstehe, dass man für eine erhoffte Einsparung von 120 Millionen Euro pro Jahr sich mit ganz Europa anlege.
Negativ betroffen von der Kürzung waren vor allem die 24 Stunden-HelferInnen aus Osteuropa, ohne deren Rund-um-die-Uhr-Dienste viele Österreich sich die Zu-Hause-Betreuung ihrer dementen oder schwer erkrankten Familienmitglieder nicht leisten könnten. Diesen Frauen, denen für ihr Service kaum über 800 Euro pro Monat übrigbleibt, wurde auch noch die Kinderbeihilfe für ihre Kids gesenkt, die sie zurücklassen mussten und für die sie zu Hause eine alternative Versorgung sicherstellen mussten, wohl auch gegen Bezahlung. Wegen der gestrichenen Familienbeihilfe aus Österreich konnten sich vermutlich einige Kinder keinen höheren Schulbesuch oder sonstige Ausbildung leisten.
Jetzt wird Österreich ihnen das Geld zurückzahlen und so rasch wie möglich eine faire Lösung für die Zukunft finden müssen. Bekommen sie Zinsen und Zinseszinsen wie alle, die Steuerguthaben beim Fiskus haben? Das wären aktuell 4 % pro Jahr. Finanzminister Brunner hat darauf noch keine Antwort. Und was ist mit den nicht-österreichischen Staatsbürgern, deren Kinder in der Schweiz oder in Schweden leben, die ein höheres Preisniveau haben als Österreich? Müssen sie – es sind meistens Botschafter – nun die zu hohen Familienbeihilfen der vergangenen Jahre zurückzahlen? Mit Zinsen und Zinseszinsen?
Eines ist klar. Ja, der Rechtsstaat hat sich durchgesetzt, wenngleich es Jahre gedauert hat. Kurz hat mit einer rechtswidrigen, aber populistischen Maßnahme den politischen Gewinn eingestreift und wird trotz offenen Gesetzesbruch von einigen seiner unbeirrbaren Jünger auch heute noch gefeiert. Zahlen müssen die Zeche wir Steuerzahler, die brav an den Fiskus abliefern müssen.
Ob die 220 Millionen Euro ausreichen, die Österreich für die Reparatur zurückgelegt hat, steht in den Sternen, auch wenn der neue Finanzminister zuversichtlich ist, dass es reichen wird. Mal sehen.