Demontage Behörde, Suff und Minister-Ambitionen (Teil 2)

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Was sind jetzt die spektakulärsten “Funde” der Kommission unter der Leitung von Martin Kreutner? Tatsächlich soll es Versuche gegeben haben, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu demontieren, ausgerechnet jene Behörde, die heikle Verfahren bei Wirtschaftsdelikten und Korruption führen und damit zwangsläufig oft Mächtigen auf die Zehen steigen muss.

Der Bericht offenbart zudem, wo betrunkene Staatsbeamte jahrelang freimütig geplaudert und das Amtsgeheimnis mit Füßen getreten haben sollen. Obwohl man über die alkoholbedingten Probleme wusste, haben Vorgesetzte nichts unternommen, sodass sich Kollegen als “Aufpasser” betätigten, um öffentliche Fauxpas zu vermeiden.

Und es stellt sich heraus, was den mächtigen Supersektionschef Christian Pilnacek offenbar angetrieben hat: Er wollte selbst Minister werden und soll ein ausgeprägtes Verhältnis zu einer Partei gehabt haben, offenbar zur ÖVP. Aber der Reihe nach.

1. De facto Demontage der WKStA, interne Verräterin und 390 Chats

Die WKStA wurde als Sonder-Staatsanwaltschaft gegen Wirtschaftsverbrechen und Korruption (WKStA) gegründet und untersteht der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Für die Kommission steht fest, dass die Oberstaatsanwaltschaften Wien und Linz im Jahr 2014 gegen die WKStA vorgegangen sind, also gegen die eigenen Kollegen (Seite 35). Zudem schreibt die Kommission, dass die Oberstaatsanwaltschaft Wien und „Bereiche“ des Bundesministeriums für Justiz eine „de facto“ Demontage der WKStA betrieben haben sollen (Seite 35), ohne Namen zu nennen.

Damit bestätigt die Kommission eindrucksvoll frühere Medienberichte, die unter anderem auch über die massive Kritik des früheren Bundeskanzlers Sebstian Kurz an der WKStA berichtet hatten. Kurzum: die WKStA geriet in diesen Jahren mehrfach unter Druck: durch die für sie zuständige Oberstaatsanwaltschaft Wien, durch Angehörige des Justizministeriums und durch die Politik.

So führte etwa die Oberstaatsanwaltschaft Wien extra für die WKStA eigene Berichtspflichten ein, die über das Übliche hinausgingen: die WKStA musste ihr seit 2029 immer drei Tage vorher über bedeutende Schritte melden, die sie in Einzelverfahren vorhatten (ausgenommen in dringenden Fällen). Diese “Schikane” (Anmerkung von mir) wurde am 1. August 2021 per Erlass wieder abgeschafft. Nur: ausgerechnet in dieser Zeit hatte die WKStA besonders sensible Verfahren durchzuführen, merkt die Kreutner Kommission an.

Die der Kommission vorgelegten Chats zeigen in aller Klarheit, was der Leiter der Oberstaatsanwalt Wien und Sektionschef Pilnacek von der WKStA hielten: “die Truppe ist das Letzte” (Seite 160)

Dass man im Kampf gegen die WStA vor Spionage bzw Verrat nicht zurückschreckte, zeigt die Auswertung des Mobilphons “eines” Leiters der Oberstaatsanwaltschaft  Wien: Eine Staatsanwältin der WKStA hat diesem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien immer wieder Interna zugeschickt und den dortigen „Flurfunk“ weitergegeben (Seite 187). Über Monate hinweg sollen nicht weniger als 390 Chat-Nachrichten ausgetauscht worden sein.

2. Besoffene Plaudereien im “Schwarzen Kameel”, Neujahresempfang als Goldgrube

 Während des gesamten Erhebungszeitraums (2010-2023) war offenbar im Justiz-Ressort und  darüberhinaus bekannt, “dass hochrangige und mit sensiblen Materien befasste Justiz-Bedienstete in geeignetem Rahmen Dritten gegenüber plauderten“, fasst die von Martin Kreutner geleitete Kommission auf Seite 146 zusammen. Als Beispiel nennt sie einen Aktenvermerk, den ein Staatsanwalt (Seite 145) angefertigt hat, nachdem er mit einem Verteidiger eines Beschuldigten in der Causa “Meinl” gesprochen hatte.  Darin schreibt der Staatsanwalt: Die „üblichen Betrunkenen“ hätten kundgetan, dass man  überlege, doch einen erheblichen Teil der Kaution zurückzuzahlen…

Weiters heißt es in diesem Aktenvermerk, dass dieser Verteidiger gemeint hätte, es wäre „mitunter sehr aufschlussreich, Abende und Nächte im Schwarzen Kameel zu verbringen, da man dort einiges über anhängige Verfahren in Erfahrung bringen könne…auch der Neujahresempfang der Anwaltskammer sei eine „Goldgrube für Justiz-News“, weil die halbe Oberstaatsanwaltschaft und das halbe Ministerium regelmäßig anwesend waren und nach dem zweiten Schnitzel die Leute zu plaudern anfangen“

Nach Meinung der Kommission wurden solche Vorkommnisse, wie sie in diesem Aktenvermerk beschrieben wurden, im Ministerium nicht „immer ausreichend ernst genommen“. Aber von „alkoholbedingten Problemen wenigere Personen hat jeder im Ressort gewusst“ (Seite 145) Daher hat man innerhalb der Kollegenschaft manchmal „Aufpasserrollen“ eingeteilt, um öffentlichkeitswirksame Fauxpas der betrunkenen Kollegen zu vermeiden. Angehörige der Justiz haben ebenso eine Verschwiegenheitspflicht wie Staatsanwälte und dürfen keinesfalls über die strafrechtlich anhängigen Fälle berichten, weder nach innen noch nach außen.

Die Kommission zeigt sich darüber befremdet, dass der Dienstgeber offensichtlich untätig geblieben ist, obwohl er eine Fürsorgepflicht gegenüber den Dienstnehmern hat. Die Kommission im O-Ton: „Dass erkanntes (und aufgezeigtes) Fehlverhalten von obersten Leitungsorganen allerdings keine oder nur geringfügige dienst-, disziplinär und strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht, demotiviert Mitarbeitenden der Justiz und untergräbt deren Verbundenheit (commitment) zum Dienstgeber“ (Seite 151).  

Gerade beim ehemaligen Sektionschef  Pilnacek, der neben seiner Doppelrolle auch noch Medienkontakte hatte, fand die Kommission „glaubwürdige Hinweise“ darauf, dass er vertrauliche Infos aus laufenden Ermittlungsverfahren weitergegeben oder jedenfalls ein entsprechender Anschein gesetzt wurde (Seite 155).

3. Sektionschef mit ausgeprägter Nähe zu ÖVP wollte selbst Justizminister werden

Auskunftspersonen berichten der Kreutner-Kommission über reguläre und enge Treffen des ehemaligen Sektionschefs Pilnacek in verschiedenen Wiener Lokalen mit hochrangigen Politikern verschiedener politsicher Parteien. Für seine „ausgeprägte Nähe zu einer bestimmten politischen Partei“ sprechen Chats und auch die Tatsache (Seite 183), dass die Kommission  Anhaltspunkte fand, „dass Pilnacek vor und nach seiner Suspendierung, teilweise auch in laufende Verfahren der Justiz betreffende Angelegenheiten, beratend tätig geworden sein könnte“ (Seite 184, Fußnote 367).  

Aus einer weiteren Fussnote (369 auf Seite 184) geht hervor, dass das  Büro des Präsident Sobotka erklärt habe, Pilnacek sei seit langem ein persönlicher Freund des Präsidenten  Auch wurde ihm von dieser Seite Unterstützung zugesichert: „Du hast jedenfalls die volle Unterstützung der Regierung und innerhalb der großen (sic) Regierungspartei die Unterstützung von Schwarz und türkis“ (FN 371 auf Seite 184)

Was trieb den Supersektionschef Pilnacek an? Es waren offensichtlich politische Ambitionen im Spiel, Pilnacek wollte selbst Minister werden, schreibt die Kreutner-Kommission an mehreren Stellen ihres Berichts. (188 bei Fussnote 379, Seite 199). Deshalb warf er sich laut Kommission bei folgenden Skandalen besonders ins Zeug: Casinoaffäre (CASAG), Inseratenaffäre und Eurofighter (Seite 188).

Auch akkordierte er mit Mitarbeitern des Bundeskanzleramtes die Befragung eines Sektionschefs im Untersuchungsausschuss gegen die ÖVP. Der Kommissionsbericht bestätigt auch in diesem Punkt frühere Medienberichte. Und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte am Tag des Bekannwerdens von Pilnaceks Selbstmord über Medien verlauten lassen, am Vortag noch Kontakt zu Pilnacek gehabt zu haben.