Ein weiterer Etappensieg für VW Kläger: Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in einem aktuellen Erkenntnis (9 Ob/2/23V) definitiv geklärt, dass für VW Dieselautos mit dem Motor EA 189 auch nach dem Weiterverkauf Schadenersatz zusteht.
Der OGH hat damit seine ursprüngliche Haltung geändert und eine wichtige Frage für die laufenden Klagen und Sammelklagen gegen VW zugunsten der Dieselkläger entschieden.
„Der OGH hat auch geklärt: Bei der Ermittlung des Schadenersatzes zählt einzig und allein der Kaufzeitpunkt, alles danach ist wurscht“, freut sich Rechtsanwalt Dr. Michael Poduschka, der den siegreichen Kläger vertritt.
Poduschka ist bei Klagen gegen VW in Österreich mit 1500 bis 2000 Verfahren federführend und vertritt auch den Verein für Konsumenteninformation (VKI) bei den Sammelklagen für weitere 10.000 Betroffene.
Keine Rolle
Da diese manipulierten VW Autos zum Zeitpunkt des Kaufes eine illegale Abschalteinrichtung eingebaut hatten („Umschaltlogig“) ist ein „objektiv-abstrakter“ Schaden entstanden. Es spielt daher laut OGH keine Rolle, ob das Auto später weiterverkauft wurde, ob dabei ein marktüblicher Preis erzielt wurde oder wieviel Kilometer damit gefahren wurden.
Geänderte Meinung
Der OGH hatte in früheren Erkenntnissen (aus dem Jahr 2022) anders entschieden und keinen Schadenersatz zugesprochen, wenn ein marktgerechter Weiterverkaufspreis erzielt worden war. Als Grund für die nun geänderte Meinung führt der OGH die einschlägigen Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) an, die in der Zwischenzeit erlassen worden sind und denen der OGH entsprechen will.
Die Frage des Weiterverkaufs spielte zuletzt bei den Verhandlungen der VKI Sammelklage gegen VW vor dem Wiener Handelsgericht eine große Rolle. Nach nunmehriger Klärung durch den OGH erspart sich dieses Gericht nun wohl die Mühe, diese Gruppe der Kläger beim Schadenersatz auseinanderzuklauben.
Schadenersatz Bandbreite
Der OGH steckt in seinem jüngsten Erkenntnis auch die Bandbreite für die Höhe des Schadenersatzes ab. Dabei „können“ laut OGH die Vorgaben des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) auch in Österreich übernommen werden. Der BGH geht von einer Bandbreite zwischen 5 bis 15 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises aus, soweit nicht ein eigenes Sachverständigtengutachten einen höheren Schadenersatz begründet wird.
Auch Hersteller des Motors
Auch in einem anderen Punkt bringt der OGH Licht in den Dschungel der VKI Sammelklage: er hält fest, dass man bei den Autos mit dem Betrugsmotor EA 189 stets sowohl den Hersteller des Autos (VW, Audi, Skoda, Seat), also auch den Hersteller des Motors (in diesem Fall VW für alle vier Marken) klagen kann, da ja arglistige Täuschung nachgewiesen wurde. Daher gibt es für das Handelsgericht jetzt eigentlich keinen Sinn mehr, bei der Berechnung des Schadenersatzes zwischen den einzelnen Marken zu unterscheiden.
Thermofenster
In seinem Beschluss bekräftigt der OGH neuerlich, dass sowohl die ursprüngliche „Umschaltlogik“ bei diesen VW Autos (Schmutzmodus auf der Straße, Saubermodus bei der Typenzulassung) also auch die nach dem Software-Update bestehenden sog. „Thermofenster“ unzulässig sind. Bei letztern funktioniert die Abgasreinigung lediglich bei Temperaturen zwischen 15 und 33 Grad voll und die meiste Zeit im Jahr gar nicht oder nur unzureichend.
Fall Schadenersatz
VW Tiguan Sky TKD
Im konkreten Fall geht es um einen VW Tiguan Sky TKD BMT 4 Motion, der im Dezember 2012 um 31.990 Euro gekauft worden war. Der Wagen ist mit einem Dieselmotor EA 189 Motor der Abgasklasse Euro 5 ausgestattet und ist vom Besitzer inzwischen zu einem nicht bekannten Preis weiterverkauft worden. Der nunmehrige Ex-Besitzer verlangt 30% Schadenersatz, also 9.597 Euro.
Der Fall geht nun an das Erstgericht zurück, das ebenso wie das Berufungsgericht die Klage mit dem Argument abgewiesen hatte, dass es beim Weiterverkauf am Gebrauchtwagenmarkt zu keinem (Erstgericht) bzw. zu keinem merkbaren (Berufungsgericht) Preisverfall gekommen ist.
Darauf war der Kläger in die Revision gegangen, die vom Berufungsgericht deswegen nachträglich zugelassen worden war, weil es laut Erkenntnis des OGH bei der Ermittlung des Schadenersatzes auf den Kaufzeitpunkt ankommt.
Die Frage des Weiterverkaufs stellt sich bei diesen VW Betrugsautos der ersten Stunde (die im September 2015 aufgeflogen sind) deshalb, weil sie inzwischen 9 bis 15 Jahre alt sind. Gerade in Österreich, wo Neuwagen wegen einer europaweit einzigen Zusatzsteuer (NOVA) besonders teuer sind, ist ein Weiterverkauf als Gebrauchtwagenfahrzeug Usus.