„Es ist nicht einzusehen, dass Güter des täglichen Lebens vom Handeln der Spekulanten abgängig gemacht werden“, betonte der kürzlich in Pension gegangene Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), Theodor Thanner im Klub der Wirtschaftspublizisten, siehe auch im „Kurier“. Er spricht mir aus der Seele, siehe dazu mein Gastkommentar im Kurier. Das, was sich bei Strom und Sprit derzeit abspiele sei kein Wettbewerb, ist er als Wettbewerbsexperte überzeugt, der seit 15 Jahren erfolgreich die BWB geleitet hat. Er sieht gleich mehrere Möglichkeiten, dagegen vor zu gehen.
Geregelt wird der Strompreis europaweit durch den sog. Merit-Order. Das ist eine Vereinbarung, die vor mehr als 20 Jahren innerhalb der Energieabteilung der EU-Kommission vereinbart wurde. Demnach wird der Strompreis bestimmt vom teuersten Kraftwerk, das zugeschaltet wird, um die Nachfrage zu decken. Aktuell sind das die teuren Gaskraftwerke. „Damit hat eine Sardine denselben Preis wie ein Beluga Kaviar“, zog Thanner einen kulinarischen Vergleich. Sprich: Wer wie der heimische Verbund mit günstiger Wasserkraft Strom erzeugen kann – die Sardine – bekommt dafür denselben Preis wie für einen Edel-Kaviar.
Thanner zählt eine Reihe von Handlungsmöglichkeiten auf: Erstens fordert die EU-Wettbewerbskommission auf, von sich aus tätig zu werden und zu prüfen, ob sich die Merit Order nicht im Widerspruch zu kartellrechtlichen Bestimmungen befindet. Der Mann weiß, wovon er spricht, schließlich hat die BWB unter seiner Führung 600 Kartellverfahren durchgeführt und 300 Millionen Euro Kartellstrafen für den Finanzminister erstritten. Noch dazu gibt es keine Transparenz darüber, wie die Strompreise an der Leitbörse, der Leipziger Strombörse, zustande kommen. Dies sollte wenigstens transparent gemacht werden, forderte Thanner und verweist darauf, dass die Leipziger Strombörse zu 75% der Deutschen Börse gehört.
Darüber hinaus könnte man generell den Strompreis vom Gaspreis entkoppeln, was natürlich nicht von heute auf morgen und nur in europäischem Einklang geht. Österreich könnte auf nationaler Ebene jedenfalls Obergrenzen für Gas einführen, wie Spanien und Portugal, fügte der oberste Ex-Wettbewerbshüter hinzu.
Gefordert sind auch die Vorstände und Aufsichtsräte der Stromerzeuger. Das österreichische Aktiengesetz (§70) sieht schließlich vor, dass man auch auf die Interessen der Öffentlichkeit Rücksicht nehmen müssen und nicht nur auf jene des Unternehmens, der Aktionäre und der Arbeitnehmer.
Generell erwartet Thanner einen weiteren Anstieg der Strompreise im Laufe des Jahres um mindestens 100%.