Unbestritten: die enorme Teuerungswelle soll für alle abgefedert werden, die sich jetzt schon schwer tun, bis zum Monatsletzten durchzuhalten. Unbestritten: die gigantischen Preissprünge bei Sprit und Strom haben eine weitere enorme Teuerungswelle ausgelöst, die uns alle betrifft, mehr oder weniger, früher oder später. Völlig ungenügend ist es daher, lediglich die Folgen der Teuerung zu bekämpfen. Unbedingt notwendig ist es, das Teuerungsproblem an der Wurzel zu packen, vor allem bei Strom und Sprit.
Erst die horrenden Teuerungen haben uns vor Augen geführt, wie pervers die Preise für Strom und Sprit derzeit gestaltet werden. Der Strompreis richtet sich nach jenem Kraftwerk, das als letztes in der Kette zugeschaltet werden muss, um die Versorgung zu sichern. Ist das ein teures Gaskraftwerk, springen gleich alle Preise in die Höhe. Wer wie der heimische Verbund mit günstiger Wasserkraft Strom erzeugt, profitiert davon am meisten.
Auch der private Kleinkraftwerkbetreiber aus Tirol darf sich die Hände reiben, wenn er für die gleiche Menge eingespeisten Stroms plötzlich 4.500 Euro im Jahr kassiert – dreimal mehr als die 1.500 Euro davor! Diese Mehreinnahmen von 3.000 Euro fallen ihm buchstäblich in den Schoß, denn er hat dafür nicht mehr leisten müssen, seine Kosten für die Stromerzeugung mit Wasser sind praktisch gleich geblieben. Er profitiert davon, dass die Strompreise auf der Leipziger Börse rasant gestiegen sind. Die Freude über diesen Zufalls-Gewinn oder „Windfall-Profit“ könnten dem Tiroler Kleinbauern allerdings im Halse stecken bleiben, sollte er seine Familie mit einem ansonsten kleinen Einkommen wegen der Teuerung nicht mehr über die Runden bringen können.
Dieselbe Perversion spielt sich bei den Treibstoffpreisen ab. Der Zapfsäulenpreis für Diesel und Benzin wird von einem Börsenpreis abhängig gemacht, auf dem nur ein winziger Bruchteil der Spritmengen gehandelt wird: vom Rotterdamer Produktenmarkt. Wenn dort die Preise für Benzin und Diesel steigen, kriegt das jede/r Autofahrer/in sofort beim Tanken zu spüren, in ganz Europa. Obwohl das gerade getankte Benzin niemals in Rotterdam gekauft wurde, schon gar nicht am selben Tag. Die meisten Rohölkonzerne raffinieren ihre Treibstoffe im eigenen Haus und können dabei oft auf selbst gefördertes Rohöl zurückgreifen. Sie verkaufen ihren Sprit über die eigenen Tankstellenketten und tun dabei so, als müssten sie ihn über die Rotterdamer Börse zu aktuellen Preisen beschaffen. Bei jedem Preissprung in Rotterdam kassieren sie mit, obwohl sich – siehe Tiroler Kleinkraftwerksbetreiber – an seinen Gestehungskosten nichts ändert.
Diese Preise für Strom und Sprit haben bei weitem nichts mehr zu tun mit den realen Gestehungskosten der Produkte. Sie werden von Börsen abhängig gemacht, von Börsen, die von ihrer Logik her mehr von Erwartungen und Spekulationen getrieben sind als von echtem Angebot und echter Nachfrage. Von Börsen, in denen stets nur kleinste Mengen gehandelt werden: hier wedelt der Schwanz mit dem Hund, um ein treffendes Sprichwort zu bemühen.
Diese Regeln sind weder gottgewollt noch auf ewig vererbt. Diese Regeln sind menschengemacht. Und sollen, müssen und können geändert werden. Schließlich haben sich Rasanz und Intensität der Kursausschläge auf diesen Börsen in den letzten Jahrzehnten durch den Einsatz digitaler Instrumente nicht nur globalisiert sondern auch noch ziemlich radikalisiert.
Dieses System gehört verändert, speziell für volkswirtschaftlich so wichtige Schlüsselprodukte wie Strom und Sprit, deren Teuerung sich in der Folge so rasant und verheerend auf alle auswirkt. Klar geht so eine Änderung nicht von heute auf morgen, man muss sie aber möglichst rasch und international in Angriff nehmen.
Bis dahin ist es wichtig, das bestehende System möglichst durchsichtig zu machen und auch zu kontrollieren, ob tatsächlich jede Teuerung, die Verbraucher und Unternehmen aktuell belastet, auch gerechtfertigt ist. Im Windchatten teurer Strom-, Gas- und Spritpreise kochen einige ihr eigenes Süppchen, schnalzen ihre Semmel- oder sonstigen Preise nach oben, weil Teuerungen halt allgemein erwartet werden. Ein Preis-Monitoring wichtiger Produkte ist ein Gebot der Stunde.
Und was die Spritpreise in Österreich betrifft, wäre es ein Leichtes, Tag für Tag zu kontrollieren, ob die Zapfsäulenpreise sich tatsächlich im Gleichschritt mit den vorgeschobenen Rotterdamer Spotmarktpreisen verhalten. Die E-Control verfügt über die täglichen Spritpreise in Österreich, die Spotmarkt-Notierungen von Rotterdam müssten eingekauft werden, wobei die Kosten dafür weit weniger ausmachen als für manche Studie oder Umfrage, die Ministerien in Vergangenheit locker gemacht haben. Wichtig wäre ein täglicher Vergleich. In Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Zapfsäulenpreise viel langsamer sinken als in Rotterdam und auf diese Weise tagelang fette Gewinne entstehen.