VW hat jenen 200.000 Kunden, die den Vergleich angenommen haben, im Schnitt knapp 3.000 Euro angeboten. Das ergibt sich rein rechnerisch, wenn man von der genannten Gesamtsumme (620 Mio Euro) die Rechtsanwaltskosten abzieht (190 Euro pro Fall) und durch die 200.000 Fälle dividiert.
Ob auf dem regulären Gerichtsweg mehr Geld für die deutschen VW-Opfer herausschaut, ist offen. Für alle nicht-deutschen VW Kunden sind individuelle Klagen jedenfalls die einzige Möglichkeit, doch noch zu Schadenersatz zu kommen. Von der erstrittenen Summe wird eine Erfolgsquote von 35% vom Prozess-Finanzierer einbehalten, der alle Kosten und Risiken übernimmt.
Die Chancen, über den Prozessweg mehr Geld zu erkämpfen ist entscheidend vom Urteil des deutschen Höchstgerichts abhängig, das für 5. Mai 2020 erwartet wird. An diesem Tag wird der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe befinden, ob den VW Käufern wegen der manipulierten Fahrzeuge überhaupt ein Schadenersatz zusteht und ob VW von dieser Schadenersatzsumme einen Betrag für die Nutzung der Fahrzeuge abziehen darf. Urteilt der BGH zugunsten der VW-Käufer und darf VW kein Nutzungsentgelt verlangen, wird bei individuellen Klagen wohl mehr Geld herausschauen als durch den Vergleich.
Eigentlich hätte man angesichts der Corona-Krise erwartet, dass noch mehr Deutsche dem VW Vergleich zustimmen. VW selbst hatte im Vorfeld eine Erfolgsquote von 95% kolportiert. Jetzt sind es also 77%, wobei diese Quote noch auf 85% steigen kann, sofern alle 21.000 offenen Fälle in einen Vergleich münden. Die Frist dafür wurde auf Ende April erstreckt. Nach dem Motto, lieber einen Spatz in der Hand als eine Taube am Dach war gerade in Corona-Krisenzeiten eine höhere Bereitschaft zu einem schnellen Vergleich und raschen Zahlungseingängen zu erwarten gewesen.
Wie berichtet, hat VW nur 260.000 deutschen Musterklägern ein Vergleichsangebot gemacht, die ihre Autos vor September 2015 gekauft hatten. Auf gut deutsch: alle, die vor Gericht die besten Gewinn-Chancen haben, wurden mit dem Vergleich geködert. Auf alle anderen 120.000 Musterkläger hat man in der Wolfsburger Konzernzentrale gepfiffen: vor allem auf die ausländischen Kunden und solchen, die manipulierte Diesel-Pkw nach Auffliegen des Dieselskandals erstanden hatten. Insgesamt dürfte es 380.000 Musterkläger geben, nachdem 70.000 am ersten Verhandlungstag abgesprungen waren und schon damals, im September 2019, ihr Glück mit individuellen Klagen suchten.
Auch in Österreich erwartet man beim Verbraucherschutzverein (VSV) gespannt auf den 5. Mai 2020. Den Plan, mit Dr. Kolba und mich als VSV-Vertreter direkt vor Ort zu sein, machte die Corona-Virus-Krise allerdings zunichte.