Vier Dinge waren an diesem zweiten Verhandlungstag auffallend. Erstens hat Richter Neef deutlicher als bisher beide Streitparteien aufgefordert „in ernsthafte“ Vergleichsverhandlungen einzutreten. Bis Ende des Jahres hat er ihnen eine Frist eingeräumt, zu entscheiden, ob sie das tun oder nicht.
Zweitens hat dieser Senatsvorsitzende einen eklatanten Mangel preisgegeben: das deutsche Bundesamt für Justiz kann bis heute nicht sagen, wieviel Pkw-Besitzer sich an dieser deutschen Sammelklage beteiligen. 445.455 waren es zuerst. Aber am ersten Verhandlungstag am 29. September wurden 77.000 Fälle gleich wieder abgemeldet. Kein Mensch weiß, ob in diesen Zahlen Doppelmeldungen oder Jux-Anmeldungen enthalten sind. Er werde auf das Bundesamt für Justiz einwirken, dass die exakte Zahl bald klar ist, versprach der Richter.
Drittens hat der Michael Neef klar gemacht, dass sich auch sein Senat an den Sprüchen diverser Oberlandesgerichte orientieren werde. Und diese haben sich in letzter Zeit zugunsten der VW-Fahrer geurteilt und gegen den Konzern. Für sie war sonnenklar: der Konzern hat seine Käufer „vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt“, indem er illegale Abschalteinrichtungen in die Autos eingebaut hat, welche die Abgasreinigung auf der Straße voll oder teilweise ausschalten. Und allein deswegen stehe den Käufern Schadenersatz zu. Punkt.
Viertens hat Richter Michael Neef auch klar gemacht, dass für die Nutzung des Fahrzeugs ein sog. „Nutzungsentgelt“ zu zahlen ist. Vom Geld, daß die VW Fahrer als Schadenersatz bekommen, wird für jeden gefahrene Kilometer Nutzungsentgelt abgezogen. Je mehr man gefahren ist und je länger der Prozess dauert, desto weniger Schadenersatz bleibt den siegreichen Auto-Besitzern und umso besser steigt VW aus.
Aus diesen vier Festlegungen des Richters und seines Senats ergibt sich für die betroffenen Auto-Besitzer folgendes: Ein rascher Vergleich ist ein Vorteil, aber Verzögerungen drohen. Sollte das Bundesamt für Justiz nicht rasch feststellen können, wieviel Kläger es gibt, verzögert sich das Verfahren automatisch. VW kann in diesem Falle zu Recht argumentieren, dass es unmöglich sein, einen Vergleich anzubieten, wenn man gar nicht weiß, wieviel Fälle dieser umfassen soll. Da Nutzungsgeld abgezogen wird, steigt VW bei einem Vergleich besser aus, je länger sich das Verfahren hinzieht.
Bei all diesen Überlegungen und Spekulationen sollte man aber nicht vergessen, worauf Dr. Peter Kolba stets hinweist: 70% der Betroffenen müssen so einen Vergleich akzeptieren, dann erst ist er gültig. Man sollte daher die Rechnung nicht ohne die Wirte machen…