Piech und der Abgasskandal

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Der Reihe nach: Von 2002 bis April 2015 hatte Piech als Vorsitzender des Aufsichtsrats das absolute Sagen im Konzern innegehabt, auch als begnadeter Ingenieur und legendärer Erfinder moderner, effizienter Produktionsplattformen.  In diese Zeit fällt der Entschluss den Konzerns (Ende 2006, Anfang 2007), in ihre Dieselautos in den USA nicht die neueste saubere Abgastechnologie einzubauen, sondern nur die primitivere Abgasrückführung (AGR) samt Speicher-Kat. Piechs Schützling, Martin Winterkorn, wirft die US Anklagebehörde zwischen Anfang 2007 und September 2015 Betrug, Verschwörung und Verstoß gegen die Luftreinhaltung vor.

Als Piech im April 2015 seine Distanz zu Winterkorn ankündigte, ahnte die Öffentlichkeit noch nicht, was sich hinter den Kulissen abspielte, denn der VW Abgasskandal wird erst am 18. September 2015 platzen. Was im Frühjahr 2015 geschah, erfährt man erst zwei Jahre später durch einen Exklusiv-Bericht des „Spiegel“. Demnach hat Piech seinen einstigen Schützling Winterkorn vor der Staatsanwaltschaft Braunschweig massiv belastet und ausgesagt, Winterkorn habe viel früher als zugegeben von den Abgasmanipulationen  gewußt.

Piech gab laut „Süddeutscher Zeitung“ (vom 27.8.7.2018) zu Protokoll, warum er sich mit seinem langjährigen Vertrauten im Frühjahr 2015 überworfen habe. Die offizielle Darstellung von VW, wonach ein paar kleine Ingenieure die Abgasmanipulationen an Dieselautos für den US-Markt zu verantworten hätten, erklärte Piech für völlig unglaubwürdig. Er habe das Gefühl, sagte er, dass der Konzern alles auf die untere Ebene schiebe. Er sei aber überzeugt, es gehe „in die erste Garnitur“. Er könne sich nicht vorstellen, wenn jemand bis zur Radschraube alle über ein Auto wisse, dass er dann von millionenfachem „Beschiss“ nichts mitbekomme.

Piech erzählte, wie er selbst früh vom Abgasskandal erfahre und sich bei VW um Aufklärung bemüht habe und dafür auch noch rausgeworfen worden sei. Demnach traf sich Piech im Februar 2015 an Rande des Genfer Autosalons mit einem „Informanten“. Das war Avi Primor, der frühere israelische Botschafte in Deutschland. Piech erzählte den Staatsanwälten, so die SZ, Primor habe ihn damals gewarnt, VW habe ein millionenfaches Problem auf der ganzen Welt mit er Software in manchen Auots und bescheiße mit den Abgaswerten. Zum Beweis habe Primor von einem Zettel abgelesen, angeblich aus einem Brief, die die US-Behörden im Frühjahr 2014 (also ein Jahr zuvor) an Winterkorn geschrieben hatten, mit der Aufforderung, den Schwindel zu beenden. Piech will Winterkorn alsbald zur Rede gestellt haben, so die Zeitung.

Aber Winterkorn habe geantwortet, so einen Notiz sei „nicht existent“. Piech fand diese Formulierung verdächtig, denn die könnte ja bedeuten, dass Winterkorn den Zettel gelesen und nachher vernichtet haben. Piech habe nachgeforscht und herausgefunden, dass der Assistent Winterkorns diesen angeblichen Brief aus Amerika in Winterkorns Wochenpost gelegt habe.

Tatsächlich hatte der Chef der Produktsicherheit bei VW, Gottweis am 23. Mai 2014 in einem Brief (Mail) an Winterkorn, diesen gewarnt, die US Behörden könnten nach einer illegalen Abschalteinrichtung suchen. Die Existenz dieser Notiz wird von VW auch nicht bestritten, man habe sie zu Winterkorns Wochenpost dazugelegt, es sei aber nicht dokumentiert,  ob Winterkorn diese Notiz zur Kenntnis genommen habe.

Zurück zu Piech und seinen Aussagen vor der Staatsanwaltschaft Braunschweig.  Dass Winterkorn die Existenz dieser Notiz bestritten habe, hätte ihn so irritiert, dass er seine Distanz zu Winterkorn geäußert hätte.  Zudem will Piech auch im Präsidium des Aufsichtsrats verlangt haben, die Sache zu klären. Die vier anderen Aufsichtspräsidiumsmitglieder hätten aber ihm, Piech, das Mißtrauen ausgesprochen. An der Sache mit Winterkorn sei nichts dran, also müsse er, Piech gehen, erzählte Piech den Staatsanwälten laut Protokoll, aus dem die SZ publiziert.

Piech fügte hinzu, er habe sich geschworen, es den Vieren heimzuzahlen. Diese widersprachen Piechs Darstellungen, ebenso wie Winterkorn und Primor. Es gebe zwei Möglichkeiten, diese Geschichte zu interpretieren, schreibt die SZ. Entweder zahlt Piech es den Vieren tatsächlich heim, wie angekündigt. Oder an seiner Geschichte ist etwas dran.

Die Fakten, die seitdem ans Tageslicht gekommen sind, sprechen für letzteres. Schließlich waren im Konzern die ICCT-Studie über die 35-fach höheren Stickstoffoxid-Werte bei VW Autos in den USA seit spätestens Mai 2014 bekannt. Auch die Tatsache, dass Piech seine Firmenanteile bis auf einen geringfügigen Anteil versilberte und sich von seinem Lebenswerk trennte, sprechen auch für sich.