Mit einem Taxi dauert es eine knappe halbe Stunde, bis wir von Jerusalem nach Bethlehem gelangen. So nahe liegen Geburts- und Sterbeort beieinander. Nach Bethlehem dürfen nur palästinensische Taxis fahren, die mit einem weißen Kennzeichen ausgestattet sind. Den jüdischen Taxifahrern mit ihren gelben Nummernschildern ist dieser Job verboten.
Zwei Welten tun sich beim Verlassen von Jerusalem auf, rechts die imposanten Häuser des jüdischen Teils, links die improvisiert wirkenden Hütten der palästinensischen Bevölkerung. Die Gegend wird immer uriger. Plötzlich traben ein paar Pferde mitten auf der Straße.
Das Stadtzentrum von Bethlehem ist richtig gemütlich. Und schon steht man am Krippenplatz. Direkt vor der Geburtskirche. Wer hinein will, muss sich ducken. Denn die Demutspforte ist niedrig. Die Kreuzritter haben sie verkleinert, damit potenzielle Angreifer nicht hineinreiten konnten. Später wurde die Pforte nochmals reduziert. Umso höher ist das Kirchenschiff dahinter mit den rot-weißen Kalksteinsäulen und dem antiken Mosaikboden aus den Zeiten Kaiser Konstantins, der diese Basilika bauen ließ.
Die Geburtsgrotte ist an der Warteschlange davor zu erkennen. Die Menschen kommen in Scharen, darunter ein japanischer Priester mit seiner Pilgerschar. So richtig friedlich geht es nicht zu. Zu lange darf man die Geduld der Wartenden mit seinen Gebeten oder persönlichen Ritualen nicht strapazieren.
Endlich kommen wir vor dem Silberstern mit 14 Zacken zu knien, der den Geburtsort Jesu symbolisiert. Kaum zu glauben, dass dieser Stern einmal gestohlen wurde. Man sollte sich auch lieber nicht so genau vorstellen, wie viele Bazillen sich durch Millionen Pilger angesammelt haben, die den heiligen Ort küssen, berühren und mit Freudentränen benetzen.
Besser zu Andacht und Ruhe kommen die Pilger gleich nebenan, wo der Geburtsaltar die Niederkunft Jesu und der gegenüberliegende Altar die Ankunft der heiligen Drei Könige symbolisieren. Hier kann man sich im Kerzenlicht hinsetzen und verweilen.
Hier drin verharrt eine Frau in aufrechter Haltung mit einer Kerze. Offensichtlich ist sie schon seit Stunden hier. Ihr Blick wirkt verzückt und in sich gekehrt. Die Wärter lassen sie gewähren. In Bethlehem stoßen wir auf das „Jerusalem-Syndrom“. Dabei steigern sich Menschen beim Anblick der biblischen Stätten in die Wahnvorstellung hinein, selber eine Gestalt der Heilsgeschichte zu sein. Das Phänomen macht sich bei Hunderten von Pilgern pro Jahr bemerkbar, es gibt spezielle medizinische Einrichtungen für sie. Nach einigen Monaten Therapie können viele das Heilige Land wieder geheilt verlassen.
Die kleine Altstadt von Bethlehem ist rasch durchstreift. Mit dem Taxi geht es zu den Hirtenfeldern, keine zehn Minuten außerhalb der Stadt. Dort haben in der Weihnachtsnacht als erste die Hirten von der Ankunft Jesus erfahren. Heute gibt es dort mehr Häuser als Felder, geschweige denn Hirten.
Zu den Bethlehem-Fotos von Helmut Kasper