Warum bessere Chancen? Drei richtungsweisende Urteile von Höchstgerichten im abgelaufenen Jahr haben die Chancen der Kläger gegen Autohersteller auch in Österreich massiv verbessert. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat Klägern von Betrugsdieseln grundsätzlich Schadenersatz zugesprochen, weil VW aus Gewinnstreben seine Kunden „vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt“ hat. Das spätere Software-Update ändert nichts an diesem Anspruch auf Schadenersatz. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied, dass man Autohersteller nicht nur im Herstellerland klagen darf, sondern auch in den Ländern, in denen die Autos verkauft werden, also auch in Österreich.
Kurz vor Weihnachten stellte der EuGH in einem „Hammer-Urteil“ klar, dass jede Art von Abschalteinrichtungen verboten ist, die Abgaswerte bei der Zulassung systematisch schönen. Selbstverständlich müssen die Grenzwerte für schädliche Abgase auch im normalen Betrieb auf der Straße eingehalten werden und nicht nur während des 20 minütigen Tests im Prüflabor. Dieses „Hammer-Urteil“ geht weit über den VW-Konzern hinaus und umfasst alle Hersteller, die ihren Kunden Autos mit illegalen Abschalteinrichtungen angedreht haben und die deswegen schon zurückgerufen wurden oder noch werden. Laut dem deutschen Kraftfahrtbundesamt (KBA) wurden wegen illegaler Abschalteinrichtungen bereits Hunderttausende Dieselautos von Daimler-Mercedes, Opel, BMV, Fiat, Renault usw. offiziell zurückgerufen! Diese Automarken kann man daher mit guten Erfolgsaussichten klagen.
In Österreich werden diese drei Höchstgericht-Urteile erst im kommenden Jahr so richtig aufschlagen. In Deutschland hat das BGH-Urteil schon im Vorfeld dazu geführt, dass VW das Musterfeststellungsverfahren mit einem Vergleich beendet und für alle anhängigen individuellen Gerichtsverfahren Vergleichsangebote angekündigt hat. Davon profitieren auch jene 500 österreichischen Kläger, für die der Verbraucherschutzvereins (VSV) mit Hilfe eines Prozessfinanzierers individuelle Klagen in Deutschland eingefädelt hat. Die ersten Österreicher haben ihr Geld bereits auf dem Konto.
Wer hat nun die besten Chancen, Klagen zu gewinnen? Der Reihe nach: Nach Klärung der Zuständigkeitsfrage durch den EuGH sind die 16 Sammelklagen, die der Verein für Konsumentenschutz (VKI) gegen VW eingebracht hat, langsam wieder in die Gänge gekommen. Sie waren seit April 2019 ausgesetzt. Beim Handelsgericht Wien hat man sich knapp vor Jahreswechsel auf ein Mediationsverfahren geeinigt – ein Vergleich im Jahr 2021 scheint in Reichweite.
Intakte Chancen zu klagen haben jene 10.000 Österreicher und Österreicherinnen, die sich über den VKI als Privatbeteiligte dem Strafverfahren gegen VW angeschlossen haben. Ihre Ansprüche auf Schadenersatz sind noch nicht verjährt. „Ihnen hilft der VSV dabei, entweder über die Rechtsschutzversicherung oder über einen Prozessfinanzierer risiko- und kostenlos zu klagen“, kündigt Dr. Kolba an.
Ungeahnt neue Chancen tun sich für alle Dieselgeschädigten auf, die bisher nichts gegen VW unternommen haben, sondern ganz brav zum Software-Update gefahren sind. Sollten sich die heimischen Höchstrichter der Ansicht des deutschen BGH anschließen, dass VW seine Kunden „vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt“ hat, wäre das als Betrug auszulegen. Und bei Betrug verfallen die Ansprüche hierzulande erst nach 30 Jahren! Mindestens 360.000 Besitzer von VW-Betrugsdiesel mit dem Motor EA 189 könnten dann alle noch klagen!
Eines steht auch für die Zukunft fest: Wer nicht klagt, geht leer aus. Verbraucherschützer wie Dr. Kolba bieten Betroffenen an, mit Hilfe von Prozessfinanzierern ohne zusätzliche Kosten und Risiko zu klagen (www.klagen-ohne-risiko.at). Sinn haben solche Klagen aber nur, wenn für die Geschädigten am Ende auch etwas herausschaut. Denn von der die erstrittenen Geldsumme dürfen die Autobauer laut BGH ein Nutzungsgeld für die gefahrenen Kilometer abziehen. Bei günstigeren Autos mit Hunderttausenden Kilometer am Tacho könnte der Schadenersatz durch das Nutzungsgeld komplett aufgefressen werden.